Triumph des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
die Kämpfe zwischen ihr und dem Herausgeber Koch mitverfolgt, der ihre Beiträge entweder nicht drucken wollte oder sie zu zensieren versuchte.
»Ich für meinen Teil werde mich mal umhören, ob es bei der Berliner Illustrirten nicht noch ein paar Aufträge für mich gibt«, meinte Geraldine und streckte ihre langen, seidenbestrumpften Beine aus. »Oder ganz woanders. Es ist vielleicht an der Zeit, dieses heimelige Haus zu verlassen.«
Sie stand auf und tänzelte aus der Tür.
Mhm.
War es tatsächlich an der Zeit für Veränderungen?
Ganz und gar zufrieden war ich nicht mit dem jetzigen Zustand. Natürlich war ich meinen Beinahe-Schwiegereltern dankbar, dass sie mich nach den katastrophalen Ereignissen nach dem Krieg zu sich eingeladen hatten. In Godesberg hätte ich nicht mehr bleiben können, nachdem Titus und meine Eltern gestorben waren. In dem Jahr schwärzester Trauer hatten sie mir ein Zuhause geboten, und als ich allmählich wieder in eine lichtere Stimmung kam, hatte ich über Jürgen du Plessis auch Berte kennengelernt, die gerade die Redaktion der Frauenseiten im Bunten Blatt übernommen hatte. Kleine Artikel über Haushaltsfragen waren mein Einstieg in die journalistische Arbeit. Hier und da etwas über die neueste Mode, mal etwas über die Glamourwelt der UFA , zu deren Leuten Geraldine eine ergiebige Beziehung aufgebaut hatte.
Die entsetzlichen Jahre der Währungskrise hatte ich mithilfe einer festen Anstellung überlebt und durfte inzwischen meine Kolumne selbst gestalten.
Im Rahmen.
Nichts, was über die Themen hinausging, die Koch für angemessen weiblich hielt. Keine Politik, schon erst recht nichts über Frauenrechte oder berufstätige Frauen, kein Wort über kriminelle Aktivitäten oder Reisen an spektakuläre Orte. Technische Entwicklungen durfte ich allenfalls erwähnen, wenn sie für den Einsatz im Haushalt eine Rolle spielten, Kunst und Kultur waren ausschließlich Jürgens Metier, Sport gehörte dem Sportredakteur, auch wenn er von Frauen ausgeübt wurde.
Unterstützt wurde Doktor Koch natürlich von seinem geschätzten Feuilletonisten Jürgen du Plessis, dem Meister der plumpen Sticheleien. Anfangs hatte er sich Berte als Ziel ausgesucht, aber an der prallten seine dümmlichen Bemerkungen mit schöner Regelmäßigkeit ab. In den letzten Monaten aber hatte er mir nun mehr Aufmerksamkeit geschenkt – oder es wurde mir vielleicht auch immer bewusster, dass er gegen mich stänkerte. Jürgen – nicht nur Feuilletonist, sondern auch verhinderter Romancier – hatte die Eigenart, Menschen in Klischees zu pressen. Für ihn war ich die junge Lindenwirtin, die gerade mal in der Lage war, die Betten zu richten und eine Erbsensuppe zu servieren. Derartige Sprüche ließ er immer dann los, wenn ich mal den Wunsch äußerte, über anspruchsvollere Themen zu berichten. Bertes dickes Fell hatte ich mir noch nicht angeeignet, und so gingen mir diese Anspielungen inzwischen ziemlich auf die Nerven. Ja, ja, ich war die Tochter von Gastwirten, aber das musste ich doch nicht bleiben! Und ich war zu mehr in der Lage als dazu, Tipps für die Küche zu geben oder über die Schoßhunde einer Diva zu berichten.
Als ich, von Trauer über den Verlust meines Verlobten und meiner Eltern wie gelähmt, nach Berlin gekommen war, hatte ich versucht, Vergessen zu finden – ziellos, Hauptsache, es lenkte mich von meiner inneren Dunkelheit ab. Ich hatte überlebt, die Wunden verheilten nun langsam, und nach langer Zeit hatte ich wieder eine Vorstellung von dem, was ich für mich selbst erreichen wollte.
Reisen. Über Reisen zu berichten, das hätte ich zu gerne getan. Große, lebhafte Metropolen, pittoreske Landschaften, Künstlerdörfchen, Überseehäfen, naturbelassene Inseln …
Berichte darüber zu verfassen, wie es für eine Frau war, zu reisen. Mit der Bahn, mit dem Automobil, mit dem Zeppelin über den Atlantik. Oder mit dem Flugzeug.
Auslandskorrespondentin – ja, das wäre gut gewesen. Für ein Nachrichtenbüro arbeiten, Artikel verkaufen, sich einen Namen machen.
Ich stand auf und ging zum Fenster. Schwere Portieren schluckten die Geräusche der Berliner Geschäftigkeit, aber auch das Licht und die Luft, die ich zum Atmen brauchte. Ich musste raus hier. Bald.
Ich schob die Portieren auseinander.
Irgendwo musste ich damit mal anfangen. Und, ja, es gab da eine Möglichkeit. So ganz allmählich bildete sich diese Idee in mir und verdichtete sich.
Hatte ich nicht vor zwei Jahren schon einmal den Mut
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