Trojanische Pferde
entsprechenden Gedanken zu formulieren. Schließlich aber stellten sich doch Worte ein und mit ihnen das Bewusstsein für den Ernst der Lage.
»Wenn das alles wahr ist, dann steht noch viel mehr auf dem Spiel als das Wohlergehen der saudischen Königsfamilie. Wenn dieser Sabotageakt so weit geht, wie ich befürchte, dann könntenTausende, wenn nicht Hunderttausende zu Tode kommen. Und die Öl- und Gasindustrie wäre lahmgelegt. Energie, das Verkehrswesen, die industrielle Produktion – alles käme zum Stillstand. Die Volkswirtschaften würden fallen wie Dominosteine. Wir dürfen keine Zeit verlieren. Wir müssen handeln – sofort.«
KAPITEL 31
A UGUST, LAUFENDES J AHR . N EW Y ORK C ITY .
Mit einem Kuss auf die Stirn weckte Sasha Daniel, der auf dem Sofa lag, wo er, keine fünfzehn Minuten nach Beendigung ihrer Aussprache, vor Erschöpfung eingeschlafen war.
Er regte sich. »Wie spät ist es?«
»Fast Mitternacht.«
»Herrje, warum hast du mich nicht eher geweckt?«
»Liebling, du bist erschöpft. Du bist innerhalb eines Tages mal eben nach Europa und wieder zurück geflogen, und anschließend wurden dir die vergangenen fünfundzwanzig Jahre meines Lebens vor den Latz geknallt.«
Er lächelte. »Ich freue mich schon auf die nächsten fünfundzwanzig.«
»Also, wenn das nicht mehr als fünfundzwanzig werden, fühle ich mich betrogen. Ich habe so lange drauf gewartet, dich zu finden.«
Er gab ihr einen Kuss. »Geschenkt.« Dann kniff er die Augen zusammen. »He, wir müssen uns an die Arbeit machen. Es gibt viel zu tun.«
»Gleich morgen früh. Jetzt aber stecke ich dich erst mal ins Bett.«
»Nur mich?«
Sie spürte, wie sich ihre Stirn runzelte und ihre Lippen sich strafften. »Ich habe noch etwas zu tun heute Nacht.«
Nachdem sie Daniel ins Bett geschickte hatte, ging Sasha in sein Arbeitszimmer und holte ihr Notebook hevor. Sie schrieb eine E-Mail.
IRGENDWAS NEUES? ICH ERWARTE NEUE ANWEISUNGEN VON BIN ABDUR.
ALICA
Sie verschlüsselte die Mail und drückte auf »Senden«. Einige Minuten später piepte ihr Computer. Sie entschlüsselte und öffnete die Antwort-Mail.
NICHTS. ALLES RUHIG. HALTE DICH AUF DEM LAUFENDEN
ALI
Ihre Armmuskeln verspannten sich.
Wieder hingehalten.
A UGUST, LAUFENDES J AHR . O NLINE .
Nachdem er Alicas Mail beantwortet hatte, starrte Ali versonnen auf seinen Bildschirm. Seine Augen blinzelten im Rhythmus des Cursors, der auf grünem Hintergrund pulsierte.
Er befand, dass es Zeit wurde, sich auf eigene Faust in das System von Saudi Aramco einzuhacken. Der Benutzername und das Passwort, die Alica ihm gegeben hatte, funktionierten zwar, aber er konnte sich nicht völlig sicher sein, wie weit er ihr trauen durfte. Ständig stellte sie Fragen, wollte über weitere Schritte unterrichtet werden. Was, wenn der Benutzername sich zurückverfolgen ließ? Ihr ständiges Löchern konnte auch bedeuten, dass sie stärker mitmischen und ein höheres Honorar einsacken wollte. Doch selbst für den Fall, dass sie vertrauenswürdig war, fragte er sich, jetzt wo er die Tragweite der Pläne des Scheichs kannte und sich die Größenordnung der anfallenden Honorare ausrechnen konnte, ob er all das wirklich mit Alica teilen wollte. Vielleicht war das gar nicht nötig. Außerdem hatte er noch ein halbes Dutzend anderer Hacker an der Hand, die er alle seit Jahren kannte und schätzte und die er würde bezahlen müssen, um die ganze Arbeit für den Scheich bewältigen zu können.
Also war es nützlich, sich erst einmal bei Saudi Aramco einzuhacken und sich einen eigenen Benutzernamen nebst Passwort zu besorgen.
Bei seinem ersten Versuch prallte er gleich gegen die Firewall der Firma. Nachdem er eine Stunde lang alles Mögliche probiert hatte, kam er zu dem Schluss, dass es sich um die respektgebietende Firewall Raptor Eagle handeln musste, und streckte schließlich die Waffen.
Aber nur vorläufig, denn jetzt machte er sich an die Belagerung, von der er nur wusste, dass sie lang und entbehrungsreich werden würde. Er sah sich die persönlichen Profile an, die er von drei Systemmanagern bei Aramco angelegt hatte. Schon beim ersten stellte sich heraus, dass er nicht weitersuchen musste.
Also, lass mal sehen, Mr Bopal. Du bist einunddreißig Jahre alt, hast eine private Highschool in Mumbai besucht und wurdest dann zum Studieren direkt ans MIT geschickt, wo du einen Master in Computerwissenschaften gemacht hast. Du warst zwei Jahre lang als Systemprogrammierer bei IBM in Armonk, New York,
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