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Trojanische Pferde

Trojanische Pferde

Titel: Trojanische Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Lender
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»… praktisch alles.«
    Sasha hatte das Gefühl, sie sei von einem Meteoriten getroffen worden. »Ich komme.«
    »Ich hab noch Zeit, Schwester, lass nicht alles stehen und liegen. Ich will unbedingt hören, wie es mit deinem Kerl läuft.«
    Sasha hörte sie kaum, ihre Gedanken kreisten um die Frage:
Wie viel Zeit hat sie wirklich? Wochen? Monate?
»Ich komme.«
    »Schwester …«

    Als Daniel eine halbe Stunde später in die Küche kam, sah er Lydia – Sasha – meine Güte, wie sollte er sich bloß an ihren Namen gewöhnen? – am Tisch sitzen, ein Foto in der Hand, Tränen in den Augen.
    »Was ist los?«
    »Jemand ist sehr krank.«
    »Wer?«
    »Ihr Name ist Nafta. Sie ist meine älteste Freundin.« Sie zeigte ihm das Foto.
    »Ihr könntet glatt als Schwestern durchgehen.«
    »In gewisser Weise sind wir das. Wir lieben einander wie Schwestern.«
    »Ist es ernst?«
    »Krebs. Und sie hat nicht mehr viel Zeit.«
    Ihr Kopf sank nach unten. »Das tut mir leid«, sagte Daniel und ergriff ihre Hand.
    Sie erwiderte den Druck seiner Finger. »Ich möchte sie sehen, aber bei allem, was hier läuft … wie soll das gehen?«
    »Um Himmels willen, Liebste, wenn sie deine älteste Freundin ist, was gibt es da anderes, als sofort zu ihr zu eilen? Die Hauptarbeit beim Nachspüren meiner Kunden kann sowieso nur ich machen. Ich kann für einen oder zwei Tage auch ohne dich zurechtkommen.«
    Sie sah ihm in die Augen. »Ich bin mir nicht sicher, ob Zeit dafür ist.«
    Daniels Magen zog sich zusammen.
    »Scheich bin Abdurs erster Hacker ist höchstwahrscheinlich gerade dabei, den geplanten Anschlag in Gang zu setzen. Er lässt nichts mehr von sich hören, und ich habe ein schlechtes Gefühl dabei.«
    Daniel spürte ein Flattern in der Brust.

    Im Taxi auf dem Weg ins Büro, Lydia an seiner Seite, ließ Daniel die Ereignisse des Vortages noch einmal Revue passieren. Es hatte wirklich etwas Surreales. Die Frau, die er liebte, war eine Spionin, mit einer Vergangenheit, wie sie sich selbst der bedenkenloseste Autor von Kolportageromanen nicht hätte ausdenken können. So verrückt, dass es schon wieder glaubhaft wirkte. Aber dieser ausgefuchste Computerterrorismus, in diesem gewaltigen Maßstab, als Anschlag auf das innerste Getriebe, das die Welt am Laufen hielt – das schien derart teuflisch, dass man es kaum für möglich halten mochte. Vielleicht brauchte er einfach noch ein bisschen Zeit, um sich an diesen Gedanken zu gewöhnen?
    Er hielt Lydias Hand, spürte ihre innere Anspannung durch die Festigkeit ihres Griffs. Seufzend versuchte er alle Gedanken an sich selbst abzuschalten und sich in sie hineinzuversetzen. Die Aussicht, ihre Freundin zu verlieren, hatte sie sichtlich erschüttert, hinzu kam, dass sie ihr momentan nicht einmal beistehen konnte und sie vielleicht nie wiedersehen würde. Er hatte sie getröstet, so gut er konnte. Aber hier ging es um einen Schmerz, auf den sie vielleicht nicht vorbereitet war. Die Erinnerung an seine Verfassung nach Angies Tod blitzte auf, diese einzigartige, unermessliche Seelenqual. Dann beschwor er das Undenkbare herauf: Lydia selbst konnte ihm entrissen werden, so schnell und unerwartet, wie es ihr mit der Freundin Nafta ergehen würde und wie es ihm mit Angie ergangen war.
    Dieser Gedanke versetzte ihn in die Lage, der ganzen Terrorismusgeschichte einen Zusammenhang zuzuweisen, sie zu personalisieren. Denn so furchterregend die Perspektive auf das große Ganze war – Tausende von Toten, kollabierende Industrien und Volkswirtschaften –, blieb sie doch abstrakt. Ganz im Gegensatz zu der Möglichkeit, Lydia zu verlieren. Mit aller Wucht traf ihn die Erkenntnis, dass Lydia in seinem Leben bereits einen unfassbar großen, alles andere nahezu verdrängenden Platz eingenommen hatte, der es ihm unmöglich machte, ihre Abwesenheit auch nur zu denken. Sich an die alles umwälzende Kraft dieser Erkenntnis zu gewöhnen, dazu allerdings brauchte er überhaupt keine Zeit.

KAPITEL 32
    A UGUST, LAUFENDES J AHR . N EW Y ORK C ITY .
Kaum war er im Büro eingetroffen, saß Daniel auch schon hinter dem Schreibtisch, um seine Einsatztruppe zu instruieren: Walter Purcell, Steven Pace und James Cassidy, die ihm im Halbkreis gegenübersaßen. Lydia – sie hatte ihn ermahnt, sie in der Öffentlichkeit weiter mit diesem Namen anzusprechen, als hätte es dieser Aufforderung bedurft – saß etwas abseits in einem der Klubsessel. Purcell schielte wiederholt in ihre Richtung, als fragte er

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