Trojanische Pferde
beschwichtigte. Die Augen jetzt so ausdrucksvoll wie an dem Abend, als sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Nein, abgebrüht war der falsche Ausdruck, da war keine Manipulation im Spiel, nur die authentische Lydia. »Tut mir wirklich leid, dass du meinetwegen so viel Unannehmlichkeiten und Stress hattest.« Als sie ihn umarmte und sich an ihn schmiegte, fühlte er die Wärme und Festigkeit ihres Körpers, als wäre es das erste Mal. Sie gab ihm einen Kuss, nahm ihn an die Hand und führte ihn zum Sofa. Daniel ließ es geschehen, mehr oder weniger besänftigt durch die Kombination von Ruhe und Bestimmtheit, die sie an den Tag legte.
Sasha setzte Daniel aufs Sofa und nahm auf einem Sessel schräg gegenüber von ihm Platz, sodass sich ihre Knie berührten.
»Du hast recht«, flüsterte sie, während sie leicht zu zittern begann.
Der entscheidende Moment
. »Ich muss dir alles erzählen.«
Sie wappnete sich innerlich, ihm ein abenteuerliches Mosaik ihres Lebens vor Augen zu führen – die Gebete zu Ganesha im Ashram des Swami Kripananda, die islamischen Studien mit Jassar,das Leben mit Ibrahim, Tom Goddard und die CIA … Und alles lief auf das Heute zu. Ihr Zittern verstärkte sich. »Mein Zusammensein mit dir war von Anfang an auf Lügen gegründet. Zuerst mal war Sophie gar nicht Sophie. Es spielt vielleicht keine entscheidende Rolle, aber sie hieß Christina, Komtess del Mira. Mein Name ist Sasha …«
»Was?«, warf er ein.
Sie fuhr unbeirrt fort: »Sasha Del Mira. Christina hat mich als Pflegekind aufgezogen – hat mich nie offiziell adoptiert. Irgendwann fing sie an, Drogen zu nehmen, ist süchtig geworden. Ihre Lage wurde verzweifelt.« Sie musste schlucken. »Sie hat mich an Jassar ›verkauft‹.« Das Herz wurde ihr schwer. »Als Konkubine für seinen Sohn Ibrahim.«
Daniels Kopf zuckte zurück, seine Wangen färbten sich.
Sie redete weiter, so schmerzlich es auch war. »Ibrahim hat sich dann mit einer Gruppe islamischer Fundamentalisten eingelassen, von denen du bestimmt schon mal gehört hast – die al-Mujari.«
Er nickte steif, mit glasigen Augen.
»Ich wurde dann von der CIA als Informantin angeworben. Ich sollte über die Aktivitäten Ibrahims und der al-Mujari berichten. Und als Ibrahim sich unter ihrem Einfluss schließlich dazu bereit fand, seinen Vater – Jassar – töten zu wollen, um sich anschließend zum Marionettenherrscher über Saudi-Arabien machen zu lassen, habe ich der CIA geholfen, Ibrahim auszuschalten.«
Nein. Das reicht nicht.
Die Auslassung versengte ihr die Seele. »Ich … ich habe ihn mit eigener Hand getötet.«
Daniel beugte sich vor. Er brauchte eine Weile, um zu bemerken, dass er angestrengt die Wand anstarrte, in Gedanken verloren.
Meine Güte.
Sein Mund arbeitete offenbar schon eine ganze Weile, ohne aber einen Laut zu entlassen, und jetzt hörte er eine Art Japsen aus der Kehle drängen. Er schluckte mühsam und sah Lydia an. »Weiter«, sagte er mit dumpfer Stimme.
»Das Schlimmste hast du noch längst nicht gehört.«
Seine Atmung war zerrissen. Mit einem Nicken ermunterte er sie fortzufahren.
Sasha bemerkte, dass Daniels Pupillen geschrumpft waren und sie anstarrten wie in ängstlicher Erwartung dessen, was noch kommen mochte. Sasha war ihrerseits besorgt, weil sie seine Reaktion nicht lesen konnte. Würde er das alles durchstehen? Sie sprach weiter. »Ich bin zurückgekehrt, um Jassar alles zu erklären und ihn um Vergebung zu bitten. Er war wie ein Vater für mich – im Grunde bis heute der einzige Vater, den ich je hatte – und hat mich wieder aufgenommen. Ich habe weiter im königlichen Palast gelebt und mit der Zeit das, was ich zu lernen begonnen hatte, immer weiter vertieft – verdeckte Ermittlungen, Spionage. Die verschiedenen Identitäten, die Pässe, das Geld. Du hattest allen Grund, das alles infrage zu stellen.«
Sasha sprach langsam, jedes einzelne Wort erschien ihr wie ein Gebärvorgang. »Ich mache das schon etliche Jahre, schlüpfe in alle möglichen Rollen, immer mit dem Ziel, die Pläne dieser Terroristen zu durchkreuzen. Ich habe Jassar sogar bei seinem Kontakt mit dir unterstützt, Daniel.« In ihren Ohren dröhnte es wie von tausend Düsentriebwerken. »Als Jassar erfuhr, dass die al-Mujari möglicherweise irgendwelche computerbasierten Anschläge auf die Öl- und Gasindustrie planten, hat er mich hergeschickt, um dir auf den Zahn zu fühlen. Wir wussten nicht, inwieweit wir dir trauen konnten. Meine
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