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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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Unterton.
       Mahgourian hob den Zeigefinger an seine Lippen, als wolle er seinen Mitverschwörer einer gemeinsam zu beherzigenden Diskretion versichern. Dann legte er den Kopf schief.
       »Sie wollen sagen, Ihnen ist nichts Besonderes aufgefallen, und deswegen kommen Sie einen so weiten Weg und warten drei Monate auf ein Gespräch? Sie werden mein Hotel mit den Plänen verglichen haben, oder nicht? Sie müssen etwas bemerkt haben.«
       »Es ist allerdings kein gewöhnliches Gebäude, was da in den Zeichnungen entworfen wurde. Jeder kann das sehen.«
       Mahgourian schwieg und nickte mir mit zusammengekniffenen Augen zu.
       »Es hat mich nicht gewundert«, fuhr ich gelassen fort, »ich habe es sogar erwartet. Nur daß in den Plänen eine Adresse angegeben war, die tatsächlich existiert, hat mich verblüfft: Ihr Hotel. Aus den Notizen selbst geht hervor, die Konstruktion könne nicht ausgeführt werden, es sei nur eine Phantasie.Trotzdem sitzen wir hier, das Haus ist Wirklichkeit. Ich kenne es natürlich nicht so gut wie sein Eigentümer. Sie wissen, daß ich den interessantesten Teil des Gebäudes bislang nicht betreten durfte.«
       Mein Gegenüber nickte nun bedeutsam. Seine nächste Frage schien ihm von besonderer Wichtigkeit zu sein, denn mehrmals setzte er an zu reden, massierte statt dessen mit seiner kleinen Hand energisch erst die Schläfen, dann die Nasenwurzel, als müßte die Fortsetzung des Gespräches gründlich bedacht werden.
       »Wieso hat es Sie nicht gewundert? Wie kann es Sie nicht gewundert haben, daß es sich nicht um gewöhnliche Konstruktionszeichnungen handelt. Erzählen Sie mir, wo Sie die Dokumente gefunden haben!«
       »Wie ich schon sagte – auf einem Dachboden.«
       Mahgourian hatte wieder das Aussehen eines lauernden Habichts. So erfolgreich der alte Mann geschäftlich auch gewesen sein mochte, er war jetzt nicht in der Lage, seine Neugier zu verbergen.
       »Ich weiß«, fuhr ich fort, »ich muß dankbar sein für Ihre Gastfreundschaft. Auch für die, sagen wir: selbstlose Bereitschaft, sich persönlich mit mir zu beschäftigen. Aber auch ich habe Fragen.«
       Der Alte stieß Luft durch die Nase aus, dann seufzte er und faltete die Hände vor dem Gesicht. Für einen Augenblick schloß er die Augen und senkte den Kopf, schien sich sammeln zu wollen, als würde ihn eine seit langem drohende Strafe erwarten.
       »So fragen Sie schon.«
       »Wann und von wem haben Sie das Hotel gekauft?«
       Mahgourian verschränkte die Arme vor der Brust und setzte einen trotzigen Gesichtsausdruck auf.
       »1946. Das Jahr nach dem Krieg. Zu dieser Zeit war das Viertel heruntergewirtschaftet, die Immobilienpreise am Boden. Das Hotel sollte das erste in einer Reihe von Häusern sein, die ich damals nach und nach erstand. Dieses hier hat einem jüdischen Geschäftsmann aus Deutschland gehört, der, soviel ich weiß, 1919 in die Stadt gekommen war. Ein eigenartiger Bursche. Er war in Geldschwierigkeiten und stand unter großem Druck.«
       »Die Pläne stammen aber aus dem Jahr 1915.«
       Mahgourian sah mich düster an.
       »Vorher gab es hier eine Schule. Mit dem Bau des Hotels ist 1920 begonnen worden. Es gibt Fotos von dem Grundstück aus dem Jahre 1923, man sieht noch immer den Bauzaun. Eine ungewöhnlich hohe Bretterwand. Kein Wunder, wenn ein Kaufmann bankrott geht, dem es auch nach drei Jahren nicht gelingt, ein simples Hotel dieser Kategorie fertigzustellen. Ist das nicht ein wenig ungewöhnlich, werden Sie denken? Sie haben recht. Aus der Sicht eines Geschäftsmannes heißt das eine Fehlplanung.«
       Ich nickte ihm ungeduldig zu: »Was ist wirklich passiert?«
       Mahgourian schwieg und dachte nach.
       »Als der Bauzaun im Sommer 1924 endlich entfernt wurde, fiel den Nachbarn sofort die Ähnlichkeit des Gebäudes mit der alten Schule auf. Nur die Anordnung der Fenster, ein paar Gesimse, Zierat und die Farbe hatten gewechselt. Es war eine Privatschule gewesen, sie hatte einem reichen Unternehmer gehört, der in Südamerika und Südostasien mit Minen und Plantagen viel Geld verdient hatte.« Mahgourian schmunzelte.
      
       »An dieser Schule ließ er seine Angestellten unterrichten und ihre Kinder. Sie lernten Sprachen.«
       Dem alten Mann war nicht entgangen, daß mich seine Ausführungen nicht zufriedenstellten, beschwichtigend streckte er die Hände aus.
       »Was wissen Sie über die Entstehung des Hauses?« fragte ich ungeduldig.

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