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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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Ich habe mir allerdings erlaubt, Kopien anfertigen zu lassen. Das reicht für meine Zwecke. Mir bleibt ja das Hotel.« Er lächelte nachdenklich.
      
      
       Ich kann Mahgourian nicht leiden, aber – nein – ich hasse ihn nicht. Warum sollte ich. Er ist ein harmloser Philanthrop. Es würde von einem ausgesprochen schlechten Charakter zeugen, einen so milden, so harmlosen alten Herren zu hassen. Unsere Gespräche könnten darunter leiden. Das wäre nicht gut für mich. Ich schätze seine Gastfreundschaft, auch die Anteilnahme, die er für seine Gäste, mich in besonderem Maße erübrigt. Vielleicht scheiden wir einmal als Freunde.
       Nein, das ist nicht die Wahrheit. Ich hasse den Alten. Ich hasse ihn, weil ich ihn fürchte. Ich fürchte mich nun einmal vor einfachen Dingen . . . Vor jemandem zum Beispiel, der mir unvermittelt einen listigen Blick zuwirft. Der zu sagen scheint: Freundchen, ich weiß etwas von dir. Oder schlimmer noch: Ich ahne da etwas. Denn es gibt viele Dinge, die ich anderen verborgen wissen möchte. Sogar solche, die ich mir selbst nicht eingestehe.
      
       Wie abhängig man, auch in neuen Lebensphasen, von alten Gewohnheiten sein kann. So wird mir mein Fläschchen nach dem letzten Treffen mit Mahgourian wieder unentbehrlich, es beruhigt die Nerven bis zur seligen Betäubung. Das Spiel ist nicht etwa gewonnen, ich stehe sogar weiterhin am Anfang, habe den Alten unterschätzt und vermisse um so mehr Laura (ein Brief ragte aus ihrem Schlüsselfach), die seit Tagen nicht für mich gesungen hat.
       Was hält sie auf ihrem Zimmer? Ist sie noch bei uns?
       Es sind zermürbende Vorstellungen, die mir lästig durch den Kopf gehen. Laura ist nicht krank oder verreist, nicht indisponiert, sondern fort, hat sich wem an den Hals geworfen, wie der Professor sagen würde, oder ist geblieben, für immer, in einem der verschlossenen Zimmer auf dem Flur. Unsere gemeinsame Zeit war zu kurz, eine Erscheinung bliebst du, Laura, ein alkoholisches Szenarium, so trifft man auf Engel, Cherubim, selbst Seraphen, so liehen sie ihre Flügel den Phantasien der Exegeten und Theosophen und wollten diesen Phantasien am Ende doch nur entsprungen sein.
      
       Der dreieckige Park: am frühen Nachmittag umtost vom Verkehr, wie eine Insel, auf der ein Schiffbrüchiger, mein Professor, gedankenvoll in lautstarke Brandung starrt, uneins mit dem Schicksal. Ein Überlebender, der allerdings nicht unter Palmen, sondern unter der Erde nächtigt, weil höherer Beistand auch für ihn nicht verfügbar war. So verloren kommt mir der Lehrer vor, niedergeschlagen, umgeben vom Tumult des Großstadtlebens, vertreten durch die beginnende Rush-hour, und davon doch in seiner Würde unberührt. Ich streiche langsam an ihm vorbei, nicht im Paradeschritt wie üblich, möchte ihm die Chance geben, ein Wort an mich zu richten, könnte das heute gut gebrauchen, kein Tag, an dem ich ihm beweisen müßte, daß wir in verschiedenen Welten leben.
       »Du Verrückter«, murmelt er hörbar, als ich vorbeigehe und spontan beschließe, dem hadernden Professor zu zeigen, unter wessen Schutz ich trotzdem stehe. Nur im Zweifelsfall muß ich, wie jeder irgendwann, mein Pfand lassen.
       Ich gehe auf die Straße, breite die Arme aus, wie ein Seiltänzer, der die Schwerkraft oder die Sogwirkung möglicher Absturzstellen unter sich bändigen muß. Die ersten Hupsignale fallen nicht auf zu dieser Stunde, dann kommt ein Reifenquietschen dazu, erregt die Aufmerksamkeit von Passanten, auch die abgesprungene Radkappe, als ein ausweichender Wagen auf den Bürgersteig flankt, bleibt nicht unbemerkt. Wie einen Reißverschluß öffne ich den Verkehr, der auf mich zuströmt, und begreife, warum manche sagen, Autos hätten ein Gesicht. Es sind die Kühlergrimassen, die mich wolfshaft betrachten, nicht ein einziger charmant lächelnder Frontgrill kreuzt über den Broadway. Nur Augenzeugen, die den glasig starrenden Equilibristen durch ihre Scheiben im Vorüberfahren mustern, grinsen zum Ausgleich. Die Toleranz dieser Stadt ist sagenhaft. Mögen auch manche der Zeugen feststellen, daß selbst die lauteste Hupe einen begnadeten Artisten in seiner Konzentration nicht zu stören vermag. Ich werde geschickt umfahren, bin womöglich schon von Navigationssystemen erfaßt worden, aber dann kracht es doch. Ein Auto hat einen Hydranten gerammt. Ich sehe den Fahrer für einen Augenblick in ein weiches Kissen geschmiegt, dann hektisch durch die Talkumwolke

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