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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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spielten. Es gelang ihm, Laszlo abzuschütteln, dafür spürte er das Herz, suchte auf dem Marktplatz ein Restaurant auf, um sich zu erfrischen. Er fand in diesen anspruchslosen Lokalen mit ihren einfachen Holztischen, Fliegenfängern und lautstarken Ventilatoren immer ein Stück Kindheit wieder. Hier war es für ihn wie in seiner Heimat, die er mit dem Ziel Odessa auf den Schultern seines Bruders verlassen hatte. Mahgourian tastete sich an Stuhlrücken Halt suchend in eine schattige Ecke des Lokals vor, wo zwei Greise Karten spielten, ein dritter über seinem Anisschnaps döste und ein vierter eine Zeitschrift studierte. Er hockte sich hin, wollte Handzeichen machen, um ein Glas Wasser oder ein ruhiges Plätzchen zum Sterben bitten, und kam nicht dazu, weil der zeitschriftenlesende Greis zu seiner Rechten die Wollmütze aus der Stirn geschoben hatte, ihn neugierig musterte und dann aus blauen Augen anlächelte, sagte:
      
       »Lewon Mahgourian:
       Ein Hornkamm mit drei fehlenden Zinken
       Eine Tuschezeichnung: Der Berg Ararat mit Arche Noah
       Ein Hundehalsband besetzt mit Glasperlen
       Am 15. Oktober 1911
       2 Rubel ausbezahlt
       250 Rubel Kredit für eine Reise gewährt.
       Nicht gelesen und nicht genehmigt
       von Mischka Japonchik, König der Moldavanka.«
      
       Nur zwei alte Männer hatten sich da getroffen, murmelt Mahgourian leise. Und auch wenn der eine dem anderen alles verdankte und seine Anwesenheit mit der Schuld erklärte, die abzugelten sei, auch wegen des Hotels und wegen Schwartz, zeigte sich der Baumeister, wie es Männer in seinem Alter leichter sein können, gnädig, reichte ihm die Hand und war, wie er sich ausdrückte, gewiß, daß diese Schuld längst getilgt sei.
       »Die Postkarten, seine Spuren hat er studiert und sich geradezu diebisch gefreut, am Ende lud er mich zu sich ein, hinterließ aber keine Adresse, was ihm ähnlich sieht. Er ging dann einfach, verabschiedete sich mit einer Verbeugung. Immer noch so höflich wie damals.«
      
       Mahgourian sinkt in sich zurück, möchte mir noch etwas mitgeben: seine Stiftung, ich weiß, es geht um eine Lebensaufgabe, warum will er sie gerade an mich verschwenden. Ich bin doch schon glücklich, wenn Laura auf der Straße nur nach meiner Hand greift, mehr brauche ich nicht.
       »Engel«, phantasiert er dann und kann nicht mich meinen. Er sei da, wo er sein wolle, keineswegs zu spät. Er habe die dunklen Flure des Hotels verlassen und sein Büro, in dem der Staub regiert, sich auf den Weg gemacht, die Spur des großen Baumeisters verfolgt. Ihm seine Ehre erwiesen. Dieses Lächeln auf Mahgourians Gesicht, es ist schon auf dem Weg aus dem Zimmer, aus dem Labyrinth heraus. Am Ende gelingt es immer, begreife ich, weil der Tod das Leben heilt.
       Und dann läßt er das Pfand.
      
      
       Laura hängt jetzt sehr an mir, und ich glaube, es ist aus Liebe. Ganz wehrlos ist sie mittlerweile gegen mich, möchte es ihrem Vater gleichtun, der wehrlos gegen sie ins Wasser ging. So beweist man etwas, ohne beweisen zu wollen, weil es eben Liebe ist, nicht Pflicht oder Gehorsam, auch nicht das Opfer, das den, der es macht, retten soll.
       Immer, wenn etwas um meiner selbst willen geschieht, also nicht weil ich Baupläne besitze, Rechtsansprüche oder behütetes Wissen und damit die Kraft zu erlösen, immer also, wenn Gegengaben nicht im Gespräch sind, werde ich verlegen.
       So muß ich also an Laura wachsen, die diese Verlegenheit nicht kennt, die unseren Zustand nicht so phantastisch findet, die es immer für möglich gehalten, sogar erwartet und daran gearbeitet hat und jetzt, glaubt sie, einen Anspruch darauf besitzt. Das, was uns verbindet, sei wie ein erlerntes Handwerk, die Frucht von Arbeit, Beharrlichkeit und Geduld.
       Wenn man es so begreife, werde man nicht mehr verlegen, nur dankbar, sagt sie.
       Am Ende kommt es zu einer Prüfung, die ich nicht gesucht habe. Wir sind an der Steilküste im Süden der Insel, gehen auf den Rand des Abgrundes zu. Lauras Händedruck ist verbindlicher als sonst, man könnte ihn verkrampft nennen. Aber ich folge ihr, bis es nicht mehr weitergeht, bis tödlich tief unten das wundervolle, sagenhafte, so blaue lybische Meer lockend zu unseren Füßen liegt. Professor Zacharias steht abseits, nach diesem steinigen Weg erschöpft, im Willen oder Glauben mürbe geworden oder großzügig, denn wer weiß, was da unten liegt, was im Meer zu finden ist . . .
      
      

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