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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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gestikulierend, bis ihm ein anderer Wagen, ohne Airbag, in den Kotflügel knallt. Der ergreifendste Moment folgt, als ich den Kopf wende und den Professor sehe, der, die Hände in die Hüften gestützt, herübersieht.
       »Verrückter!« brüllt er. Ich bin mir nicht sicher, wen er meint. Seine Hände hebt er dann, möchte vielleicht zupacken und retten, steht schon in der leicht vornübergebeugten Haltung des Sprinters da – und bleibt doch stehen. Es gibt einen halbseitigen Stau. Und ein zur Kakophonie angeschwollenes Hupkonzert trägt mich endlich wie auf Wolken davon. Das ist noch kein Beweis, denke ich und beschließe, dem nächsten Wagen kein Ausweichen mehr zu erlauben, habe bereits meine Erfahrungen damit, in der aktiven Rolle allerdings, und bin grundsätzlich bereit, das Pfand zu lassen.
       »Verrückter«, brüllt der Professor wieder. Aber es ist mein Kunststück. Mein Lebenslauf. Eine Wagentür öffnet sich, ein Fahrer, bullig, im Maßanzug, steigt aus. In dieser Stadt sind Männer wie er gewohnt, Initiative zu zeigen. Und Polizisten sind – wie Engel – nie da, wenn man sie braucht. Er stürmt auf mich zu. Was er vorhat, meine Pläne zu durchkreuzen, die drohende Rolle über einen Kühler zu verhindern oder mich selbst totzuschlagen, sein Gesicht verrät es nicht.
       Menschen haben keine Knautschzone , sage ich laut zu mir selbst. Als hätte diese Erkenntnis mir damals helfen können, und jetzt ist es ohnehin zu spät. Der Mann schlägt nicht einmal zu, er packt mich an den Schultern, fest, und schiebt mich dann von der Straße, sanft, was er sagt, kann ich nicht berichten, denn er behält die wichtigen Dinge für sich, genau wie ich, es ist die Tat, die zählt. Ich zittere erst, als ich auf dem sicheren Bürgersteig stehe, er schaut mich mitleidig, fast zärtlich an. »Verrückter«, brüllt der Professor wieder. »Engel«, sage ich zu dem Mann im Anzug, und dann laufe ich davon.
      
      
       Ein paar Tage lang blieb ich auf meinem Zimmer, trank kaum noch etwas. Wenn andere diesen Körper grundlos schonten, dann wollte ich es von nun an auch tun. In der Askese, die in der Hauptsache den Verstand reinigen soll, haben manche Sünder Wahnvorstellungen erlebt. Ich aber wurde von Mahgourian besucht, hörte das vorsichtige Klopfen jedoch spät, öffnete die Tür unwillig und erkannte den Alten nicht sofort.Er hatte eine altmodische Sonnenbrille aufgesetzt, die seitlich verblendet war, so daß seine Augen auch im Profil verborgen blieben. Mahgourian trug ein Jeanshemd, karierte weite Stoffhosen zu Turnschuhen und machte einen atemlosen Eindruck. Auf seiner Stirn standen Schweißperlen. Trotzdem war ich nicht beeindruckt.
       »Vielleicht hätte ich anrufen sollen«, murmelte der Hotelier, als würde er mit sich selbst sprechen. Dann nahm er umständlich seine Sonnenbrille ab und rollte einen Moment lang verschämt die Augen hin und her, bis er eine andere Sehhilfe aus der Brusttasche seines Hemdes genestelt hatte. Ich sah ihn schweigend an und rührte mich nicht. Seine Augen wirkten ohne Brille unvertraut groß, fast kindlich und in ihrer Lebhaftigkeit verwirrend. Es war kaum möglich, ihn für einen Greis zu halten, wenn man diese Augen sah, auch wenn sein schmales, ausgezehrtes Gesicht und der hagere Körper alle Spuren des Alters zeigten.
       »Was schauen Sie mich an, als wäre ich ein Geist?« begann er erregt. »Haben Sie denn mein Klopfen nicht gehört? Sie haben das Haus – Gott sei Dank – ein paar Tage nicht verlassen, wie ich erfahren konnte, und doch muß ich mir Sorgen machen! Sie verstehen nicht, was mich quält, wenn ich hier unten bin, bei meinen Gästen? Die Angst, daß wieder ein Unglück geschehen ist!«
       Ich trat verunsichert zur Seite und ließ Mahgourian, der den gesenkten Kopf schüttelte und sich mit einem großen Taschentuch den Schweiß von der Stirn wischte, eintreten.
       »Verzeihen Sie meine Aufregung«, sagte er dann matt, »es ist eine persönliche Sache. Vielleicht bin ich immer noch der falsche Mann, um eine Herde von Lämmern zu beschützen. Ich darf mich setzen?«
       Der Alte sah sich mit kurzen Blicken im Zimmer um, vermied dabei, allzu neugierig zu wirken. Dann wechselte er plötzlich den Ton.
       »Sie scheinen tatsächlich großen Respekt vor meinem Haus zu haben. Dem Zimmer drängen Sie sich jedenfalls nicht auf. Ich sehe fast nichts Persönliches. Etwas sonderbar nach drei Monaten. Oder ist Ihnen Ihre Umgebung so gleichgültig, daß

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