Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
Vom Netzwerk:
neben seinem Stuhl, mit einem silbernen Kettchen festgebunden. Sein Blick, dem Mahgourians nicht unähnlich, zeigte ein lauerndes Interesse. Den Kopf schräg gelegt, zuweilen rhythmisch nach den Seiten wippend, sich in die Brust werfend, machte er sich wichtig, bohrte sein Auge unnachsichtig in meines. Es gelang ihm, die anfängliche Nervosität bei diesem lang erwarteten Gespräch im Sperrgebiet von Mahgourians Reich noch zu steigern.
       »Wenn Sie allzu ängstlich sind, wird er sich auf Sie stürzen wie ein Adler. Die Kette hindert ihn nicht daran, sie erinnert ihn nur, daß er Menschen eigentlich nicht mag.« Mahgourian sprach gebrochen Deutsch, in einem ungewöhnlichen Singsang, betonte Wörter anders, als ein vertrauterer Umgang mit der Sprache vorgeschrieben hätte. Ich glaubte sogar einen französischen Akzent herauszuhören.
       »Nun, in Ihrem Brief klangen Sie recht selbstbewußt. Oder großspurig, wie die meisten meiner Gäste. Natürlich ist das Unsicherheit. Oder Verstellung. Ihr seid Kinder der Werbung, wollt Slogans verkaufen. Ich beobachte das. Und warte auf das Geräusch, das entsteht, wenn die gläsernen Knochen brechen.
       Dann ist es für euch gut, in diesem Haus zu sein.«
       Mahgourian stand auf. Er ging unentschlossen um den Schreibtisch herum, stellte sich schließlich vor das Fenster. Mir fiel auf, wie klein der Alte war. Die Proportionen seines Körpers schienen verschoben zu sein. Wie filigran die Finger wirkten, die jetzt am Stoff seines Tweedsakkos zupften, wie wenig sie zu den riesenhaften Budapester Schuhen paßten, deren Vorderkappe so breit und rund geformt war, daß ein Clown sie hätte tragen können. Seine Hose aus grauem Flanell, tadellos gebügelt, besaß einen ungewöhnlich unmodernen Schnitt. Sie bauschte sich an den Hüften wie eine Pluderhose und verjüngte sich gegen ihr Ende, endete etwas zu weit über den Schuhen in einem breiten Aufschlag. Alles an ihm wirkte auf eine komödiantische Weise unverwechselbar.
       »Verstehen Sie, dieses Haus will auch mich noch immer nicht loslassen. Aber eigentlich kann ich es nicht ausstehen, bin lieber drüben in Connecticut, und zwar nicht nur am Wochenende. Früher dachte ich: Eines Tages wird diese Stadt dir gehören. Jeder junge Bursche, der hierherkam, dachte so. Die meisten, die es hier zu etwas gebracht hatten, waren einmal arm gewesen. Nicht so wie in Europa, wo die Herkunft zählte.Aber jetzt würde ich die Stadt nicht geschenkt nehmen. Es ist das Alter. Ich werde nichts mitnehmen können, wenn ich gehen muß. Ist es da nicht wichtig, was ich zurücklasse? Diese Frage beschäftigt mich. Aus demselben Grund liegt mir an diesem Haus, das Sie so brennend zu interessieren scheint. Warum wir uns erst jetzt treffen? Glauben Sie mir, da war kein böser Wille im Spiel. Ich bin über alles informiert, was hier geschieht, auch über Sie. Aber sehen Sie mich wie einen Einsiedler oder einen Mönch. Meine Reisen hierher sind Pilgerfahrten. Man unternimmt sie nicht allzu häufig in meinem Alter. Auch wenn ich meinen Gästen Hoffnung gebe, das Haus macht einsam. Meine Gäste lieben sich unter diesem Dach, aber es gibt keine dauerhaften Verbindungen. In den letzten zehn Jahren hatten wir acht Selbstmörder. Sie haben es nicht hier getan. Aber sie haben hier gelebt. Ist ihr trauriges Ende meine Schuld? Vielleicht mag ich das Gebäude deswegen nicht. In meinem Blut mischt sich der Eigensinn verschiedener Nationalitäten. Meine Vorfahren waren zum Nomadentum verdammt. Als Kind bin ich vor den Türken über den Kaukasus geflohen. Jemand wie ich folgt auch immer einer inneren Unruhe, wenn er sein Heim verläßt. Jede Reise ist ein Aufgeben von Sicherheiten und ein Suchen nach neuen Bestimmungen. Es geht nicht darum, ob ich mich hier wohl fühle. Wozu auch. Und so bleibe ich ein paar Wochen, während statt meiner eine Floristin durch meine Orangerie streift, vermutlich ein Chaos unter meinen Orchideen anrichtet.«
       Der Alte hatte sich wieder gesetzt. Seine Augen wirkten auf einmal traurig. Er richtete sie auf das Fenster, als wäre ich nicht im Raum.
       »Sagen Sie mir«, nahm ich deshalb den Faden auf, »weshalb Sie mich eingeladen haben. Keiner hier weiß, warum er den Vorzug vor anderen erhalten hat. Ich habe von besonders vornehmen Hotels in London gehört, die Gäste nur nach schriftlicher Bewerbung aufnahmen. Zahlen mußte man trotzdem.Hier kann man zwei Jahre umsonst bleiben. Voraussetzung, man ist Musiker, Maler,

Weitere Kostenlose Bücher