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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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oder man besaß sie schon immer, weil einem das Nomadentum wirklich im Blut lag.
       Nur zwanzig Minuten wollte mir der Alte zum Packen lassen, und das Nein schon auf den Lippen, hörte ich eine vertraute Stimme »Verrückter« murmeln, Mahgourian zuckte mit keiner Wimper, der unsachliche Einwurf des Professors verhallte wie üblich, ohne einen Adressaten zu finden, im Flur des vierten Stockwerks. Trotzdem trat ich verblüfft einen Schritt aus der Tür meines Zimmers. Dort stand hinter Mahgourian der schwarze Dozent der Straße, so wie ich ihn kannte, beinahe.Denn heute trug er ein ausgebeultes Sakko, riesenhaft wie ein Zelt,und eine winzig wirkende Fliege. Sein gewöhnlich verfilztes Haar war frisch gewaschen und stand in glänzenden Locken vom Kopf. Zum ersten Mal fiel mir auf, wie groß der Professor war. Der orangefarbene Rucksack hing verloren an seinen Schultern. Seine überweiten Jeans und die Sneakers mußte er sich für den heutigen Tag aufgehoben haben. Aber dann machte der Professor, wie auf ein Kommando hin, einen Schritt zur Seite, und Laura, die sich hinter seinem Rücken zweimal verbergen konnte, stand auf dem Flur, auch sie schon reisefertig mit einem roten Samsonite, in hellblauen Jumpers mit Hello-Kitty-Aufnäher, plötzlich einen Lutscher im Mund und zwei Finger zum Victory-Zeichen gespreizt. Wenn ich nein sagen würde, morsten ihre vertrauten Augen, hätte ich sie um ihre Chance gebracht, von einem ätzenden Leben Abstand zu gewinnen und das erste Mal seit zweiundzwanzig Jahren ihre Heimat und den Osten zu verlassen. Sie war in Maine geboren und für die Zeit des Studiums von ihrem Nervenarzt an Mahgourian nach New York empfohlen worden.
       »Ich bin bereit, der Einfachheit halber, Ihre Reisekosten zu übernehmen«, summte Mahgourian beschwingt, »ich tausche Geld gegen ein Stück Ihrer Lebenszeit.«
       Von der Gemeinsamkeit unserer Interessen sprach der Hotelier, von letzten Wünschen, die man einem alten Mann nicht abschlagen dürfe. Wie eine Spinne im Netz hatte er zu lange auf eine Botschaft des Baumeisters gewartet, jetzt wollte er den Glücksboten nicht mehr alleine ziehen lassen.
       »Das Hotel ist versorgt, ich habe Angestellte und einen würdigen Vertreter (er legte den Kopf schief). Lassen Sie uns also keine Zeit verlieren.«
       Mir reichten weniger als zwanzig Minuten für das Gepäck.
       Ein Wagen, der uns zum Flughafen bringen sollte, wartete bereits.
      
      
       Meine Heimatstadt verfügt über eine ganze Reihe von Annehmlichkeiten. Einige von ihnen habe ich sogar kennengelernt. Als Beispiel das Bristol , auch jetzt unsere Herberge, ein Hotel in der Nähe des Bahnhofs, entkernter Jugendstil, moderate Preise. Hier war ich früher, wenn ich aus familiären Gründen nicht bei meinen Eltern wohnen konnte, regelmäßig Gast. Aber der Rest des Erbteils, von seiten meiner Großeltern, konnte für diesen Luxus nicht ewig reichen. Mit meinem Vater verkehrte ich im Rahmen einer angestrengten Diplomatie. Er legte, anders als meine Mutter, die es wohl nur aus Verlegenheit tat, nicht sofort auf, wenn ich anrief. Ein gewisses Informationsbedürfnis mußte befriedigt werden, möglicherweise, um Rechtsnachteile zu vermeiden. Ich hätte immerhin ein neues Unglück provozieren können, in dessen Sog die Restfamilie in Kalamitäten geraten wäre. Alle anderen Forderungen von mir gegen ihn waren seiner Meinung nach abgegolten. Mein Anruf, wie jeder andere auch, traf meinen Vater kühl und vorbereitet. Die Nachricht, daß ich mit Freunden kommen würde, die sich die Stadt ansehen wollten, amüsierte ihn wie erwartet. Vielleicht, weil unsere Stadt selten von Touristen aus dem Ausland besucht wird, oder ganz einfach, weil er mir Freunde nicht zutraute. Die Heiterkeit meines Vaters wurde gedämpft durch meinen Hinweis, daß der Anführer unserer kleinen Reisegruppe sich für jenen Speicher interessiere. Schrecksekunde und leicht verstärktes Atemgeräusch auf seiner Seite. Nein, das sei kein Anwalt, erwiderte ich wahrheitsgemäß. Es ginge ihm um die Architektur. Ich hörte, wie mein Vater Luft durch die Nase ausstieß, dann schwieg er lange. Meine Einfalt mußte betäubend sein.
      
      
       Sie luden uns tatsächlich zum Essen ein. Mahgourian hatte kurz mit meinem Vater telefoniert. Das gewinnende Wesen des alten Mannes, wohl auch die berufsmäßigen Instinkte meines Vaters hatten etwas für mich kaum Vorstellbares möglich gemacht.
       Mahgourian erkannte die Villa schon von

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