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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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bestimmende Position einnehmen. Das war ein Gesetz der Evolution und außerdem unter Anwälten Ehrensache: Der Schwächere mußte dominiert werden.
       Der Kopf meiner Mutter pendelte wie ein Metronom von links nach rechts, ticktack. Und Lauras deswegen bestürzter Gesichtsausdruck war die einzige Reaktion am Tisch, die versteckte Wahrheiten dieser Abendgesellschaft angemessen würdigte. Wir anderen gaben uns stoisch, vielfach belehrt, daß alles immer noch schlimmer kommen mußte, ehe sich ein kathartischer Effekt einstellen konnte.
       »Dann war er wohl einfach ein Glückskind«, setzte Mahgourian schwärmerisch hinzu. »Denn er wurde auch zum Wohltäter für diejenigen, die sich nicht zu Fortunas Günstlingen rechnen durften, obwohl sie es, talentiert wie sie waren, in einer gerechteren Weltordnung wohl gewesen wären.«
       Mahgourian blickte jetzt mit einer Art von Melancholie zur stuckverzierten Decke empor, um die möglicherweise dort versammelten Götter mit seiner Traurigkeit angesichts ihrer unbedachten Gunstbezeugungen zu strafen.
       Er machte absichtlich den Eindruck, als würde auch er sich zu den Verschmähten zählen. Dazu paßte auch seine für heute ausgewählte einfache Garderobe, Flohmarkt-Camouflage.
       Mein Vater mußte geradezu davon ausgehen, daß dieser vergreiste Armenhäusler Angehöriger jener Gesellschaftsgruppen war, die aufgrund eingebildeter Talente gerne auf fremde Förderung zurückgriffen. Wie wahrscheinlich auch der Rest der Bagage. Er verabscheute sie, das merkte man ihm an. Womöglich hatte dieser abgerissene Schwätzer sogar verleitet von Desinformation oder Senilität die Hoffnung, daß die Geldverschwendung in Form von Mäzenatentum hier auch in der dritten Generation fortgesetzt werden würde. Jetzt fühlte sich mein Vater vollends überlegen, trotz des Anblicks meiner Mutter. Auch die Bedeutung dieser zusammengewürfelten Runde an seinem Tisch wurde ihm schlagartig klar, von wegen Rechtsnachteile. Tagediebe, wie sein Sohn, der nicht einmal dieses Talent eines indirekten Gelderwerbs besaß, sondern im Fahrwasser gewiefter Bittsteller auf Brosamen hoffte.
       »Mein Großvater war ein Couponschneider«, begann mein Vater, »eine glückliche Beteiligung an einer Minengesellschaft mit geliehenem Geld. Ich glaube nicht, daß er etwas anderes als seinen verblaßten Ruhm jemals verdient hat. Mit seinem Reichtum ging er entsprechend sorglos um. Eine Stiftung verwaltete das Elend ähnlich lebensuntauglicher Naturen, verzeihen Sie die Vermeidung des Wortes Künstler. Das Geld, das er verbrannte, fehlte der Familie. Nicht, daß es ihn beunruhigt hätte, er hatte ja nicht dafür arbeiten müssen. Sein Sohn, mein Vater, vollendete die Vernichtung des Kapitals als Treuhänder der Stiftung. Sicherlich hat es mir nicht geschadet, meine Ausbildung selbst zu finanzieren, zumal sie ja nicht ins Künstlerische zielte. Auch der allgemeine Spott wirkte charakterbildend. Es haben hier über die Jahre Heerscharen die Klinke geputzt, die dankbar die Wohltaten der Stiftung genossen haben. Projekte und Persönlichkeiten, deren Existenz so absurd war, daß sie nicht einmal mit Geld gerettet werden konnten. Ich bin der einzige in der Familie, für den Zahlen nichts Irrationales haben. Ich bin auch nicht zu haben für den Versuch, Schmarotzertum schönzureden. Die Freigebigkeit meiner Vorfahren hat niemanden erlöst. Schon gar nicht die Spender selbst. Es waren Experimente unter Narren. Anhänger brotloser Künste sollten Hunger ertragen können, das ist meine Meinung. Der Bestand der Gesellschaft beruht am Ende immer auf denjenigen, die sich aus eigener Kraft erhalten können. Keine Belohnungen ohne System und Gegenleistung. Ich bin streng auch mit meiner eigenen Familie (jetzt sah er mich an). Ich hatte nie etwas zu verschenken. Die einzige wirkliche Bedeutung von gemeinnütziger Aktivität liegt in Imagegewinn und Steuervorteilen. Versager bleiben in meinen Augen das, was sie sind, mein Sohn, und sie bleiben unter ihresgleichen (ein abfälliger Blick strafte nun die versammelte Runde). Fortuna mag das egal sein, aber ich glaube, in deinem Fall hat selbst sie ihre Geschäftstätigkeit eingestellt.«
       In diesem Augenblick fiel der Kopf meiner Mutter mit einem lauten Klatschen in den Teller mit Friséesalat, auf dem sie vorher verdächtig teilnahmslos eine Olive hin und her geschoben hatte. Ich empfand plötzlich ein taubes Gefühl in jenem Teil meines Kopfes, der Reaktionen auf

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