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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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ihren Fingern ausweichenden Würsten gegriffen. Es war weiches, nach Milch duftendes Gewebe, das von ihren Händen davonlief und das sie nicht mehr erkannte, so wie sie es gewohnt gewesen war.Es gelang ihr schließlich, eine Schlinge zu legen und die Schnur zu verschließen. Sie schlug die Reste in ein Laken ein, als würde sie Klöße pressen wollen, weil sie nicht wollte, daß jenes Kätzchen damit spielte. Die dunkelblauen Augen verfolgten sie dabei, ungläubig, und Sonja Kotusova, die jetzt auf ihren Füßen stand wie auf weichem Sand, lächelte, weil sie glaubte, daß diese blauen Augen, die Schönheit des Wesens, das da an das Kätzchen geschmiegt lag, während sich die Höhle wieder verschloß und trocken zu werden begann, für einen neuen Anfang standen, der ihr selbst zugedacht worden war.Sie hatte ihr Bestes gegeben, und das einzige, was ihr jetzt noch fehlte, als sie das Bündel mit dem Kloßteig in den Wassereimer stopfte, war frische Luft. Sie wollte endlich wieder atmen können, und mit einer gewissen Sehnsucht sah sie hinunter auf die menschenleere Straße. Für einen Augenblick wenigstens würde sie hinuntergehen und das Leben umarmen, in ihrem luftigen Kleidchen durch den Staub der Straße tanzen, allein. Sie wartete noch, irgendwie gelang es ihr, bis die Lider über die blauen Augen gerutscht waren. Dann drückte Sonja das Kätzchen noch einmal fest und legte es in Tücher gehüllt an das pochende Herz, und ihre Hebammentasche, die wertvolle Hebammentasche, in der sich die Zange befand, das Hörrohr, das Belladonna, die Kuhschelle und der wilde Jasmin – die schob sie gut versteckt zwischen den restlichen Tüchern unter das Bett, neben das Brennholz und eine Schütte mit Kohlen. Und schließlich tänzelte sie barfüßig wie Icko davon und verschloß die Tür, um sich vor dem Haus ganz allein im Licht der Sterne zu wiegen. Das Leben war ein Wunder . . .
      
      
      
      
      
      
      

E r s t e s  B u c h
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      

D a s  H o t e l
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      

 
     
       Ich betrete den Flur zögernd und mit dem Gefühl, er müsse jeden Besucher das Fürchten lehren. Nur fahles Licht reicht in den Raum hinein, viele der Lampen an der Decke fehlen, Vernachlässigung, die jedoch nicht absichtsvoll wirkt, mehr wie ein Verhängnis. Lange haben hinter den beiden Reihen von Türen, an denen Messingzahlen nur leere Zimmer zählen, keine Menschen mehr gewohnt. Man erkennt es so unmittelbar, daß eine gewisse Beklemmung entsteht. Die Wände sind rissig und bleich oder von vergilbten Tapeten bedeckt, die sich vom Putz schälen, als wäre selbst ihnen ihr eigentlicher Platz an diesem Ort des Verfalls zuwider geworden. Der Teppich im Korridor verdient diesen Namen schon lange nicht mehr. Zerschlissen, fleckig und von undefinierbarer Farbe dämpft er den Schritt kaum, sondern läßt ihn unheilvoll durch den Gang hallen. Die unteren Etagen des Hotels, in denen Gäste Quartier gefunden haben, sind altmodisch, aber gepflegt, ähnlich den Zimmern vor der Zeit Verstorbener, deren Andenken man bewahren möchte. Das sechste Stockwerk allerdings ist nicht vorhanden, offiziell, auch zufällig kann es nicht betreten werden. Der Lift hält hier nur nach Betätigung eines Schlosses an der Schalttafel der Kabine. Keiner der Gäste jedoch besitzt den Schlüssel. Der Diener, der mir die Verbindungstür in den Korridor geöffnet hat, trägt einen abgewetzten Anzug.Seine Augen sind ungewöhnlich schmal, sein Gesicht hat zahllose Falten. Obwohl er keineswegs alt wirkt. Sein Mund ist maskenhaft verzerrt. Es ist nicht sicher, ob er lächelt, ob sich Anstrengung ausdrückt oder Schmerz. Ein merkwürdiger, säuerlicher Geruch geht von ihm aus. Er legt seine Hand auf den Knauf der Tür, als wolle er ihn zerquetschen. Langsam den Flur entlanggehend, setzt der Gedanke sich fest, eines der Zimmer könne sich öffnen, Hände mich ins Dunkel des Hauses zerren.Beunruhigend die Sicherheit, daß der Diener hinter mir geblieben ist. Ich höre seinen Atem nah, den schleichenden Schritt und fühle sein Starren. Trotzdem, mich umzudrehen wage ich nicht. Wir haben kein Gespräch geführt, er hat mich nicht dazu ermuntert. Ich bin sogar überzeugt, er hätte im Falle einer Frage nicht

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