Trojaspiel
und hob sie unter der Laterne auf ihre Zehenspitzen, so daß alle es sehen mußten. Mit einem Kuß drückte er ihren Kopf in den Nacken.
Der Kopf des Kindes lag richtig, die Kundin war wohlgenährt. Es würde trotz ihrer zierlichen Hüften keine Probleme geben wie mit anderen Frauen in der Moldavanka, deren rachitisch verkümmerte Becken das Tor zum Leben zur Falle werden lassen konnten. Die Kotusova bemerkte, daß sie selbst es war, die jetzt stöhnte. Sie hatte Schmerzen, es schien zu brennen in ihren Eingeweiden, und dadurch, daß sie sanft den Bauch der Patientin streichelte und ihre Fußsohlen massierte, wurde es nicht besser. Der Tanz dauerte an, obwohl sie die Gesellschaft verlassen hatten. Sonja hatte sich bei dem Mann mit der weißen Hemdbrust eingehakt. Aneinandergelehnt schwebten sie die Straße entlang. Sie fürchtete sich nicht eine Sekunde lang. Er streichelte ihre Wange und machte Komplimente. Sie würde ihn nicht abweisen. Ihr Mann war nach Cherson gefahren, und der Fremde, er würde bestimmt nicht grob zu ihr sein.
Wie bleich der Bauch der Kundin war und wie schmal er trotz der Schwangerschaft wirkte. Sie hatte mit der richtigen Garderobe diesen Makel bis zuletzt verborgen halten können.Die Kotusova schwitzte noch immer, und auch der Schwindel war zurückgekehrt. Einen Moment lang glaubte sie, der süßliche Geruch, der dem Laken zwischen den Beinen der Schwangeren entströmte, würde sie betäuben. Die Kundin drehte ihr Gesicht in den Lichtschein der Ofenflamme. Die Hebamme sah auf und prallte förmlich zurück angesichts der Schönheit des Mädchens. Das war keine Einbildung. So unerwartet ein solches Gesicht hier auch sein mochte. Das Stöhnen der Schwangeren, sie mochte kaum zwanzig sein, klang plötzlich bitter in Sonjas Ohren. Wie ernst die Kotusova ihre Kundin auf einmal betrachtete. Der Brand in ihren eigenen Eingeweiden war ganz vergessen, statt dessen fühlte sich die Hebamme jetzt niedergeschlagen. Das ebenmäßige Gesicht des Mädchens deprimierte sie. Wenn selbst ein Geschöpf wie dieses in solch einer armseligen Kammer, ohne Beistand, ohne Familie, Mann oder Freundin niederkommen mußte, welche Chancen blieben ihr dann selbst noch in dieser Welt? Und welches Schicksal würde ein Kind erwarten, das so ins Leben trat?
Eine Geburt, die sich so kläglich in menschenferner Nacht vollzog, war ein Spiegelbild des einsamen Todes. Das Ensemble der weiblichen Werkzeuge, das da vor ihr arbeitete, nur ein Mechanismus. Die Natur, die einfach ihren Weg ging. Wieder spürte die Kotusova, wie ihr die Augen feucht wurden, aber sie redete nur beruhigend auf das Mädchen ein, streichelte und küßte es in dem festen Bedürfnis, diesem Gesicht ein Lächeln zu entlocken, und wenn es das letzte war, was ihr noch gelingen sollte.
Das Kind, dessen Kopf sich zeigte, als es bereits weit nach Mitternacht war, wäre erstaunt gewesen, hätte es sehen können, unter welcher Herrschaft von Gespenstern sich sein erstes Erscheinen auf der Erde ereignete. Das Wesen, aus dessen Höhle es gedrängt wurde, kreiste wie zum Tanz die schweißbedeckten Hüften, und das Gesicht, von Schmerz und gleichzeitiger Freude zu einer Maske geformt, war hinter einem feinen Schleier hellblonder Haare in das Kissen gepreßt.
Eine schwitzende, bis auf den Unterrock entkleidete Hexe mit wirren Haaren und geweiteten Augen drückte auf die Wand der Höhle, sie drehte seinen Kopf mit erstaunlich zarten Fingern und massierte die Schleusen mit Wollfett, bis erst eine und dann die nächste Schulter befreit war. So sollte also alles beginnen?
Die Kotusova fühlte sich leicht und beschwingt, der Schweiß perlte ihr wie Champagner von der Haut. Sie betrachtete das kleine, nackte Kätzchen, das sie vorsichtig aus seinem feuchten Versteck geborgen hatte. Es hielt die Schnur, die es mit der köstlichen Frucht der Höhle verbunden hatte, gepackt und schien sich weigern zu wollen, eine über Monate so nahrhafte Verbindung einfach aufgeben zu müssen. Die Hebamme schwankte. Sie fühlte, daß sie nicht mehr lange bei Bewußtsein bleiben würde, wie nach einem Fest, bei dem das Erreichen des ausgelassenen Höhepunktes mit dem Aufzehren aller Kräfte einhergehen mußte. Sie senkte ihre fleischigen Arme und legte das schnurrende Kätzchen auf den Bauch seiner Mutter. Ein leichter Ruck an der Schnur, um die Frucht zu lösen, dann kappte sie die Verbindung. Aber es erschien ihr, als hätte sie in einen Topf mit kochenden,
Weitere Kostenlose Bücher