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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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geantwortet.
       Gebäude können unangenehm sein wie Menschen. Wir bewegen uns in ihnen nicht anders als ein Tier in seiner natürlichen Umgebung. Übersichtlichkeit gibt uns Orientierung, wir möchten unseren Weg verstehen, ein Ziel erkennen, ein Haus sicher betreten und es wieder verlassen können.
       Es ist einem Menschen durchaus ohne Qual vorstellbar, sein Leben von der Wiege bis zum Totenbett an einem einzigen Ort, in einer kleinen Stadt, sogar in einem Dorf zu verbringen.Vielleicht ist es ihm sogar angenehm, wenn eine vertraute Umgebung nicht aufgegeben und gegen die Fremde eingetauscht werden muß, die erobert und urbar gemacht werden will, in der er sich nicht auf Freunde und Verwandte, auf Wurzeln verlassen kann.
       Aber ein Haus zu betreten, das man nicht mehr verlassen kann, bedeutet den Tod. Bauwerke können feindselig sein. Das Gebäude, das sich nicht erklären will und dessen Plan man nicht kennt, nötigt, es schreibt unserem Aufenthalt Wege und Räume vor, denen wir aus Unkenntnis nicht ausweichen können. Zum Alptraum wird ein Haus, das uns verschlossen bleibt, obwohl wir es bereits betreten haben, das uns in die Irre leitet und aus dem ein Ausweg nicht mehr zu finden ist. In diesem Haus verliert die Zeit an Bedeutung. Tag und Nacht, die Geschichte der anderen, unser Anfang und unser Ende sind ohne Belang. So daß der Tod nur erlösen kann.
       Der Weg ist zu Ende. Es ist die letzte Tür im Gang, sie trägt keine Nummer und ist nur angelehnt. Ich drücke sie mit der Hand auf, und das karge Flurlicht erhellt den Raum, in dem der alte Mann auf mich wartet. Mahgourian, der Eigentümer, er sitzt still an seinem Schreibtisch, den Blick zur Wand gerichtet, in Gedanken versunken, denn die Zeit kann ihm nichts mehr anhaben. An seiner Seite auf einer Stange hockt ein Papagei, der mich aufmerksam betrachtet. Schließlich nickt mir der Alte zu: »Danke«, sagt er, und eine Deckenlampe brennt plötzlich in seinem Büro. Die Hand des Dieners hat geräuschlos den Lichtschalter betätigt. Mahgourian nickt erneut, und schleichende Schritte entfernen sich auf dem Korridor. Seine Hand weist auf den Stuhl vor seinem Arbeitsplatz, auf dem sich nichts weiter als eine Schreibunterlage und ein museumsreifes Telefon befinden. Er selbst sitzt in einem Armlehnstuhl, verschlossene Schränke und ein leerer Garderobenständer in seinem Rücken.
      
      
       Die Tage davor hatte ich in wachsender Unruhe verbracht, zunehmender Bewegungsdrang, ein Spiel ermüdeter Muskeln und das Gefühl, eingesperrt zu sein, diese Strafe, die einen Menschen auf Dauer stumpfsinnig macht. Manche Gedanken schärft sie allerdings.
       Trotzdem zeigte mir das Gebäude keine Anhaltspunkte.Die Spurensuche scheiterte an den Prinzipien der Geheimhaltung, die Mahgourian und ich mit gleichem Starrsinn befolgten.
       Wissen ist ein wertvolles Gut, man behütet oder verkauft es, zeigt es nicht ohne Zweck. Jener Mann, auf dessen Spur ich bin, hat deswegen ein Leben lang in Angst leben müssen, war lange Jahre auf der Flucht. Ich kenne ihn nicht wirklich, manchmal kommt er mir so schemenhaft vor, daß ich ihn mit mir verwechsele. Tatsache ist: Wir haben Gemeinsamkeiten, haben sogar im selben Raum gelebt, zu verschiedenen Zeiten, und er und ich, das mag Zufall sein, wir tragen die gleichen Initialen.
       Meine Hoffnung war, Mahgourian die nötigen Informationen entlocken zu können. Wie in einem Spiel.
       Gerade in diesem Punkt, argwöhnte ich, war der alte Mann mir überlegen. Das Spiel setzt ein soziales Talent voraus, das ich bislang nicht erworben habe. Auch erfordert es Geduld, also einen Mangel an Zeitgefühl, oder die Fähigkeit, das Verstreichen der Zeit zu ignorieren. Mir gelingt das nicht, ich habe schon zuviel versäumt, gemeinsam mit der Person, die ich suche.
       Was also tun?
       Zunächst ein Gedankenspiel mit der Möglichkeit, Brecheisen zu benutzen, Gewalt anzuwenden. Verschlossene, verbotene Türen gehören ja eigentlich ins Märchen. Jeder meiner Mitbewohner auf den Gängen, arglose Tagediebe, die sich hinter ihren Türen in Mahgourians Haus versteckten, hätte einen guten Rammbock abgegeben. Kopf voran, Decken und Wände aufbrechen, die oberen Stockwerke freilegen, um zu entdecken, was Mahgourian dort vor der Welt verbarg. Natürlich war dergleichen nicht erlaubt, nicht einmal im Märchen.Deswegen nahm ich, Abkühlung suchend, Platz auf einer Parkbank vor dem Hotel, betrachtete dort die Stadt, aufgeblasen wie ein

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