Tropfen im Ozean
damit durch. Aber dem ist nicht so. Irgendwann müssen sie geradestehen für ihre Handlungen... nur sehen wir das halt nicht immer gleich, weil sie das möglicherweise in einer anderen Form, in einem anderen Leben tun. Dann passiert vielleicht etwas, was sie nicht nachvollziehen können. Für mich ist das ein faires System, weil es zeigt, wie wichtig es ist, gute Eigenschaften zu kultivieren. Das ist viel wichtiger, als es zunächst den Anschein hat. Es ist zeitübergreifend“.
Nachdenklich sah ich ihn an. Irgendwie schmeckte mir diese Idee nicht, warum, konnte ich noch nicht greifen.
„Die Frage ist“, erklärte er weiter, „...was tust du, wenn der Strafzettel kommt? Krakeelst du dann herum, wie gemein das Leben ist, wie böse der Polizist oder gar die Kamera, die dich geblitzt hat, in welch üblem System wir leben und so weiter und so fort? Das ist Schwachsinn und du weißt es. „Du bist bei Rot über die Ampel, also zahlst du und nimmst dir vor, es nicht wieder zu tun“
„Aber blöd ist, dass man sich doch gar nicht erinnern kann, was früher war. Und dann fällt es auch ausgesprochen schwer, etwas zu bereuen oder gutzumachen, von dem man keine Ahnung mehr hat“.
„Das ist wahr“, nickte er. „Aber es hilft einem, Dinge anzunehmen. Wenn irgendetwas passiert, das man nicht versteht... dann kannst du es annehmen. Das heißt nicht, dass du die Dinge nicht besser machen kannst. Das sollst du sogar. Du solltest immer nach Höherem streben. Außerdem hat man gerade in schwierigen Situationen oft Gedankenblitze, die einen an etwas erinnern, oder es läuft dir einer über den Weg, der dir eine Antwort von Gott bringt, oder du hörst einen Song im Radio... Gott hat viele Stimmen – er oder sie ist äußerst originell, glaub mir.“ Er kicherte verhalten.
„Warte mal... wenn du das so sagst... bedeutet das, dass J sozusagen eine Strafe für mich ist, weil ich im letzten Leben nicht brav war?“
Er lachte laut heraus und mir fiel einmal mehr auf, wie leicht er das Leben nahm und wie heiter er war. Er lachte gern und er lachte viel. Für ihn war alles sonnig und freudvoll.
„Ach, Mäuschen“, schmunzelte er. „... ja, vielleicht ... vielleicht hast du J in einem anderen Leben mal was angetan. Vielleicht ist es aber so, dass er schon vorher mit dir gemacht hat, was er wollte, und du das als Muster mit in dieses Leben hier gebracht hast. Und dieses Muster sollten wir knacken. Es ist ein Unterschied zwischen dem, was man ändern kann und dem, was man akzeptieren muss. Und J und deine Verhaltensweise gehören zu den Themen, die du dringend ändern und durchleuchten solltest“.
„Okay“, sagte ich erleichtert. „... aber was du da erklärst, ist im Prinzip der Karma-Gedanke... den mochte ich offen gestanden noch nie. Das hört sich so einzementiert... so unwiderruflich an“.
„Wer sagt das?“ fragte er neugierig. „Seit wann kann man Karma nicht auflösen? Dafür ist es doch da.“
„Ja, aber wie denn? Mit positivem Denken? Und wie passt deine Denkweise mit dem so weit verbreiteten Statement zusammen, dass man im Leben alles erreichen kann?“
Er dachte nach, bevor er antwortete:
„Positives Denken ist gut – keine Frage, eine wichtige Grundlage. Positive Lebensführung hat aber vor allem damit zu tun, an seinem Charakter zu arbeiten, zum Beispiel nicht negativ über andere zu reden, Gutes zu tun, Respekt und Liebe anderen Menschen gegenüber zu zeigen... das ist nicht leicht, gerade in einer Welt, in der das „nach oben kommen“ und der Status in der Gesellschaft so wichtig ist. Natürlich kann man nur Erfolg haben, wenn man sich anstrengt, wenn man sich auf das Ziel ausrichtet, wenn man es unbedingt will... glaub mir, ich kenne das alles. Das hab ich alles mitgemacht. Und versteh mich nicht falsch: Ich bin ein großer Befürworter für die Entfaltung seiner Talente, dafür, das Beste aus seinem Leben zu machen. Ich bin der festen Meinung, dass das sogar unsere Pflicht ist - aber ich bin ein großer Gegner von verantwortungslosem, egoistischem Erfolgsdenken. Ich bin ein Gegner von Erfolg ohne Tiefe. Und was das „man kann alles erreichen“ angeht... manchmal wünschen sich Menschen etwas, was ihnen mehr schadet als nützt. Die Instanz, die uns erschaffen hat, ist aber eine extrem intelligente Macht – sie schützt uns, manchmal auch vor der Erfüllung eines Wunsches. Hat das nicht auch der Dalai Lama gesagt? ‚ Denke daran, dass etwas, was du nicht bekommst, manchmal eine
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