Tropfen im Ozean
gestützt.
„Dass es ein unabhängiges Glück gibt, das dich frei macht, statt bindet. Dass es Quatsch ist zu glauben, du müsstest äußerlich perfekt und dein Leben ein Rundum-Sorglospaket sein, um glücklich zu sein. Letztlich kommt es darauf an, welches Glück du suchst, und wo du suchst. Suchst du es in Beliebtheit, Macht, Ruhm und so weiter liegt die Wahrscheinlichkeit, dass du unglücklich wirst bei 100%“.
„100%?“ unterbrach ich ihn aufgewühlt. „Sekunde mal, das glaube ich nicht. Menschen, die erreichen, was sie wollen, sind glücklich...“ wieder dachte an J, an die Nacht, als er im Auto geschrien hatte ‚Ich bin so glücklich!’ - und er war es auch gewesen in diesem Moment.
„Du sagst es“, antwortete er. „In diesem Moment. Und wie lange hat das angehalten?“
„Öh... ziemlich lange? Vor allem, weil er sich danach ein neues Auto gekauft hat, das hat ihn zusätzlich und noch glücklicher gemacht und sein nächstes Ziel hat er ja auch gleich wieder erreicht“.
„Ja, weißt du... das sieht vielleicht auf den ersten Blick so aus... aber ich sehe es so, dass ihm das eine nicht gereicht hat und er gleich danach wieder was brauchte, um den Kick zu haben... und danach wieder und wieder... du solltest den größeren Rahmen sehen. So was ist doch kein ewiges, echtes Glück...“
„Ich fürchte, das ist ihm schnurzegal“, murmelte ich.
„Es wird ihm aber nicht mehr egal sein, wenn es mal andersrum läuft“, erwiderte er. „Mal sehen, wie er dann reagiert. Aber vergiss nicht: Es geht hier um dich und dein Glück. Und mal was ganz anderes: Hast du nicht auch deine Ziele erreicht? Dein Abitur nachgeholt? Den Master geschafft? Tolle Filme gemacht? Und? Bist du glücklich? Keine Spur!“
„Aber J...“
„Nochmal: wir reden von dir. Wenn J einen anderen Weg wählt, dann lass ihn doch! Aber es scheint nicht dein Weg zu sein, sonst wärst du nicht hier. Schau, Abhängigkeit von Äußerem ist wie schlechte Ernährung. Auch wenn du über Jahre keine Beschwerden hattest - irgendwann fordert sie ihren Tribut. Wie Zucker. Schmeckt gut, aber verwandelt sich mit der Zeit in Gift in deinem Körper. Außerdem hast du selbst erkannt, dass es ziemlich öde ist, wenn sich die Existenz auf die Erfüllung von Wünschen reduziert.“
Mir wurde anders. Das hatte ich mal gedacht, das stimmt - bevor ich ihn kannte - aber ganz bestimmt nicht zu ihm gesagt. Mit großen Augen sah ich ihn an. Er schien es nicht mitzubekommen.
„Und genauso ist es. Du aber willst mehr. Du willst tiefen Frieden... ich hab dir schon gesagt, die meisten wünschen sich Ruhm und Geld, Erfolg und Sex und all das, weil sie die Alternative nicht kennen. Wenn du wirklich unabhängig vom Auf und Ab dieser Welt sein willst, solltest du dich um die Alternative kümmern, nicht um das andere“.
„Aber das andere ist auch wichtig“, sagte ich irritiert. „Ich muss leben, arbeiten, Geld verdienen... und wenn ich schon arbeiten muss, dann will ich auch die Anerkennung für das, was ich tue. Ich kenne keinen, der sich das gefallen lassen würde – auf Dauer“, setzte ich hinzu, als ich seinen amüsierten Blick sah.
„Weißt du“, sagte er heiter. „Früher oder später landet jeder bei dem Wunsch, mehr zu wollen als das, was das äußere Leben bietet, und dann sind die Menschen bereit für Gott und das Licht in ihnen. Stell dir doch nur mal diese unendliche Geduld vor, die Gott mit uns hat, ist das nicht wunderbar?“
Wieder wurde mir flau im Magen. Irgendwie mochte ich es nicht, wenn er so redete.
„Du hast doch diesen Ruf vernommen?“ erinnerte er fast drängend. „Du wolltest mehr. Du hast dir inneren Frieden gewünscht...“
„Ja, aber auch Schönheit und all das“, murmelte ich. „Es ist so viel leichter für schöne Menschen, durchs Leben zu kommen“.
„Ach“, meinte er lakonisch. „Hat J nicht die Brünette mit dir betrogen? Obwohl sie perfekt aussieht?“
„Richtiger wäre zu sagen, er hat mich mit der Brünetten betrogen, weil ich nicht perfekt aussehe. Solche Leute haben es einfach leichter.“
„Ach, komm schon, du weißt, dass das nicht stimmt“, sagte er.
Unwillkürlich fiel mir Sabrina an. Der Blick ihres Mannes, als sie zum Altar geschritten, die Liebe, die aus seinen Augen geströmt war. Aus den Augen ihrer Eltern. Sabrina war alles andere als hübsch und sie hatte auch keine gute Figur. Unsicher sah ich den alten Mann an. Eine kleine Pause entstand.
„Aber... ich habe diese Wünsche –
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