Tropfen im Ozean
wunderbare Fügung des Schicksals sein kann’ . Letztlich ist entscheidend, warum jemand etwas tut und wie er es tut. Ob er seinem Lebensplan folgt“.
„Lebensplan?“
„Ja, jeder hat so seine Aufgabe hier und das sollten wir herauszufinden.“
„Mann“, sagte ich verdrossen. „Abgesehen davon, dass ja kein Zettel in der Wiege liegt, der einem das freundlicherweise mitteilt! Dieser Gott, von dem du dauernd redest, ist schon ein echter Scherzkeks! Was gibt er uns einen freien Willen, wenn er einen Plan für uns hat? Das ist doch paradox!“
„Nein, ist es nicht“, widersprach er. „Es ist alles ganz logisch... im Prinzip kannst du es daran erkennen, wie du dich fühlst, wenn du etwas tust. Ob es dir gut tut. Ob es für andere gut ist. Ob überhaupt etwas Gutes drinsteckt. Wenn du das tust, was dein Herz will, werden sich Gelegenheiten fügen“.
„Aber was ist mit den Leuten, die zu Beginn - und das sind nicht wenige – auf große Hindernisse gestoßen sind, die sie überwinden mussten... und wenn sie das nicht getan hätten, wären sie nicht da, wo sie heute sind!?“
„Ja, das stimmt“, gab er zu. „Ich sagte ja auch nicht, dass es keine Hindernisse gibt. Du kannst dich auch mit einem Hindernis gut fühlen! Ich meine, dass dich Gott von einem zum anderen führt und du dich führen lässt, auch, wenn das vielleicht als Umweg erscheint. Dass du tief innen weißt, dass es das Richtige ist. Und versuchst, dein Ego wegzulassen, wenn du was tust.“
„Das mit dem Ego ist so eine Sache“, grummelte ich. „Es ist ja nicht so, dass man mit dem Finger schnippt und weg ist es.“
Ehrlich, ich hatte Magengrummeln nach diesen Ansagen. Mich führen lassen, das klang grotesk in einer Welt, in der jeder sein eigener Herr sein wollte. Er beobachtete mich.
„Weißt du“ hub er dann an. „das ist alles nicht leicht hier, ich verstehe das... auch, dass das Ego bei solchen Aussagen Amok läuft... das Ego ist schizophren und tut alles, um sich seine Macht zu erhalten. Es sagt dir einerseits, dass du etwas Besonderes sein sollst und bist, damit du dauernd irgendwelchen Phantomen nachjagst, und andererseits macht es dich klein und erklärt dir, dass du nie besonders genug sein wirst, um es zufrieden zu stellen. Hör genau zu: Das Ego ist nie zufrieden. Wenn du das eine erreicht hast, will es das nächste. Es ist wie ein unrechtmäßig an die Macht gekommenes Regime, das die Menschen quält, indem es mit Angst arbeitet. Es suggeriert dir ständig, dass es von allem immer zu wenig gibt“.
Er blickte mich an mit diesem milden Blick und mir wurde auf einmal bewusst, dass er kein Ego hatte, nicht das Geringste. Er war nicht verletzbar und er wusste das.
„Was passiert mit einem solchen Regime und wie verhält es sich?“ führte er weiter aus. „Es arbeitet mit Druck, Angst und Mangel, statt aus der Fülle. Wenn aber die Menschen nicht mehr bereit sind, dem zu folgen, dann macht es erst recht Druck, d.h. es droht dir. Oder es schmeichelt dir. Schau dir doch an, was das Ego dir weismachen will. Wie es dir droht, wie schrecklich dein Leben wird, wenn du diesen Namen nicht hast... oder wie toll alles wird, wenn es so wäre. Wenn du wirklich daran interessiert bist, dein Herz wieder als König einzusetzen, statt den Kopf, besteht der erste Schritt darin, weder den Drohungen noch den Schmeicheleien zu glauben, also dich auch von den Annehmlichkeiten zu lösen, die es dir verspricht. Daran zu glauben, dass es hinter Lob und Tadel etwas viel Besseres gibt“.
Immer wieder versicherte er sich, dass ich ihm gedanklich folgen konnte, es war, als ob er ein Messgerät für meinen Zustand hätte.
„Es ist“, fuhr er fort: „als ob dir jemand immer wieder Geld leiht, das dich aus deinem ganzen Schlamassel herausholen soll. Oder Drogen. Aber das passiert nie, weil das Geld oder die Drogen dich nur abhängig machen. Du willst mehr davon. Und du willst es immer von außen. Irgendwer muss es dir geben. Du suchst dann nur noch dein ganzes Leben nach Dealern, in der Hoffnung, endlich frei zu sein. Solange du haben willst, wirst du nie frei sein. Das ist die Kerbe, in die das Ego einhakt“.
Ich war gar nicht froh nach diesen Sätzen. Ein Leben ohne „Habenwollen“ erschien mir schwer und darüber hinaus noch nicht einmal erstrebenswert. Was war ein Leben ohne Wünsche, Ziele und Träume? Und – sich führen lassen! Buchstäblich Gott weiß wohin! Vielleicht wollte ich da gar nicht hin, wo Gott mich haben wollte!
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