Tropfen im Ozean
oder?“
Ich nickte. Ich verstand es nicht wirklich.
Wie so oft tätschelte er mein Bein. „In der Bhagavadgita 6 sagt Krishna zu Arjuna 7 : „Erfülle deine Pflicht, aber erwarte keine Belohnung dafür“.
„Das ist hart“, sagte ich frustriert. „Hoher Anspruch“.
„Ja, in dieser Welt ist das ein hoher Anspruch, das stimmt wohl“ bestätigte er. „Aber wenn wir mit Liebe tun, was wir tun, dann erhalten wir dadurch viel mehr als nur ein kurzfristiges Lob. Wir denken weiter, wir fühlen mehr und es stellt sich etwas sehr Subtiles ein: Eine tiefe, innere Zufriedenheit, aus der so viel mehr erwachsen kann. Und wenn wir in dieser Verfassung sind, können wir in guten wie in schlechten Situationen ruhig und heiter sein. Dann bist du unabhängig, ganz und gar. Das war dein erklärtes Ziel. Jetzt geht es darum, alte Muster loszulassen, damit etwas anderes an deren Stelle treten kann. Das nennt man ‚Entsagung’“.
„Das ist Entsagung? Nicht, sich loszusagen von Geld und allem Annehmlichkeiten?“
„Nein, warum denn“, erwiderte er. „Entsagung heißt: sich von schlechten Gewohnheiten trennen. Vor allem von dem Gedanken, dass wir von Gott getrennt sind, denn dieser Gedanke verursacht Leid, falsches Urteilsvermögen, falsche Zielsetzung und so weiter“.
„Das hört sich grandios an!“ sagte ich, Hoffnung schöpfend. „Ich dachte immer, man ist ein schlechter Mensch, wenn man Geld mag oder schöne Dinge“.
„Na, jetzt schließt sich der Kreis ein bisschen“, lächelte er. „Geld ist doch kein Unterscheidungsmerkmal für gut oder schlecht. Wie schon gesagt: Wenn du an den Dingen hängst oder Dinge tust, um ein Mangelgefühl zu kompensieren, hilft dir das nicht weiter. Wenn du sie tust, weil du Freude dran hast und sie genießt, ist das doch kein Problem. Im Gegenteil. Was soll falsch daran sein, wenn du tust, was du kannst? Etwas ohne ein bestimmtes Motiv zu tun, führt zu innerem Frieden.“
Ich blies Luft aus. Es war alles so viel und trotz seiner sinnvoll klingenden Argumente war ich lange nicht bereit, alles zu akzeptieren.
„Es hört so emotionslos an“, versuchte ich zu erklären. „So langweilig... und überhaupt: Hast du nicht gesagt, dass die Intention entscheidend ist? Eine Intention ist doch ein Motiv“.
„Ja, die Intention, deine Arbeit mit Liebe zu machen, etwas Gutes damit zu bewirken... Wie willst du deinem Herzen folgen, wenn dein Kopf dir sagt, du musst das tun, weil du dann x und y dafür kriegst? Und was ist, wenn du es nicht kriegst? Dann bist du unglücklich. Dann peilst du das nächste Ziel an, vielleicht schaffst du es diesmal... Lob, Gratulation, eine Extra-Prämie... klasse... eine Woche Frohsein! Na, herrlich... und dann? Dann musst du dich erneut übertreffen, um dich gut zu fühlen. Und immer so weiter. Das ist langweilig“.
Er sah mich an mit diesen blauen, so intensiven Augen und immer saß ein Lächeln drin, immer, egal, was er sagte. Ich liebte ihn unendlich dafür.
„Und wie ist das mit Beziehungen?“ fragte ich plötzlich und wurde rot. Der alte Mann grinste schelmisch.
„Auch das“, sagte er ungerührt. „Keine Beziehung der Welt kann dich zu deinem eigenen Frieden führen. Das kannst nur du für dich tun. Freude kannst du niemals außerhalb von dir empfinden. Nur in dir drin... du hast es doch erlebt!“
„Aber... wenn da jemand wäre... dann....“
„Dann ist das wunderbar, dann genieß alles, was kommt... genieß Erfolg, ein schönes Leben...und auch einen tollen Mann...aber mach ihn nicht verantwortlich für dein Glück. Genauso wenig kannst du J für dein Unglück verantwortlich machen. Lerne aus deiner Quelle zu leben, aus dieser unendlichen Freude – ein Riesenberg an Juwelen im Vergleich zu einem trockenen Krümelchen Lob!“
„Ja gut, aber was ist denn nun J für mich?“ fragte ich verwirrt. „Eine Prüfung, ein Umweg oder eine Strafe?“
Wieder lachte er lauthals.
„Du bist echt lustig“, wieherte er. „Das gefällt mir!“
Und als ich ihn abwartend ansah, erwiderte er mit einem schalkhaften Grinsen.
„J ist ein Symptom, nichts weiter. Und wir sind jetzt dabei, die Ursache ausfindig zu machen.“
Im Fluss
Der Arzt hatte mich weitere zwei Wochen krankgeschrieben und ich schickte die Krankmeldung ohne jedes schlechte Gewissen an J. Allerdings auch eine Mitteilung an meine Kollegen. Ich fand, das war ich ihnen schuldig. Ich sagte ihnen, dass ich dringend Auszeit bräuchte – und niemanden sehen
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