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Tropfen im Ozean

Tropfen im Ozean

Titel: Tropfen im Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Subina Giuletti
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wohnt. Das Höchste. Dass du wertvoll bist. Dass Gott dich liebt. Willst du das wirklich so niedermachen? Selbst dieses Licht? Daran solltest du denken, immer und immerzu. Das ist nur eine Sekunde... eine Sekunde, die dir deine wahre Würde zurück gibt...“
    „Aber es klärt nicht meine Wut“, rief ich, nur halb getröstet, obwohl mich seine Worte spürbar erhoben hatten. „Immer, wenn Emilie in meiner Nähe ist, fühle ich mich hilflos ... ausgeliefert... und mit ihrem Konkurrenzgehabe konfrontiert... und dann verhalte ich manchmal auch nicht korrekt!“.
    „Eben. Du lässt zu, dass ihre Vorstellungen dich überrennen. Dann denkst du genauso über dich, wie sie es tut – und handelst danach! Was soll denn dabei rumkommen? Und warum machst du es nicht umgekehrt?“
    Wumm. Versteinert saß ich auf der Bank. Schloss die Augen. Sah Emilie vor mir, ihren Blick, der mir alles verriet, was sie dachte... ihr vor selbstgefälligem Mitleid triefendes Gesicht. Und wie ich mich dann fühlte. Mit einem Stöhnen schlug ich die Hände vors Gesicht.
    „Oh, nein“, krächzte ich. „Du meinst also, dass sie so über mich denkt, weil ich so über mich denke?“
    „Hundert Punkte“, sagte er ungerührt. „Es ist ein Teufelskreislauf, bis einer von euch daraus aussteigt. Steig du aus. Sie wird es nicht tun“.
    „Woher weißt du das?“
    „Weil sie die Größe nicht hat“.
    „Und woher weißt du das ?“
    „Das weiß ich einfach, glaub mir“.
    „Und wie steig ich aus? Mit Affirmationen: Ich bin selbstbewusst und ein Siegertyp? Ich lasse mich nicht unterkriegen?“
    „Nein, was hat denn die Situation mit Siegen und Verlieren zu tun? Es geht noch nicht einmal darum, dass der eine gut und der andere schlecht ist oder wer Recht hat und wer Unrecht...“
    „Nicht?“ fragte ich maßlos erstaunt und auch enttäuscht. In meinen Tagträumen hatte es immer genau dieses Happy End gegeben: Meine Mutter erkennt endlich, mit wie vielen kleinen, subtilen Bemerkungen Emilie mich denunziert, wie sie mich mit ihren kleinen Nebenbei-Bemerkungen all die Jahre runtergemacht hat... sie ist zutiefst entsetzt, über Emilie und sich selbst und wendet sich mir endlich zu.
    „Je, nun“, ein leises Lachen kam von WOM „schöner Traum, aber leider unnütz“.
    Mir war nicht nach Lachen zumute. Finster blickte ich geradeaus.
    „Geh noch mal ein kleines Stück zurück“, half er mir. „Warum können dich Emilies Gedanken dich so beeinflussen?“
    Das Chamäleon, schoss es mir in den Kopf. Die Gedanken anderer, die mich einfärben. Ich sah die Situationen vor mir. Emilie, wie sie in unserem Zuhause rumtänzelte und ich immer das Gefühl gehabt hatte, ich müsse mich für meine Existenz entschuldigen.
    Wie nennt man das?“, drängte er. „Gib dem Kind einen Namen!“
    „Selbstablehnung...“, entfuhr es mir. „Ich spüre, wie andere mich ablehnen und lehne mich damit selbst ab“.
    „Sehr gut. Gib es zu. Das ist der erste Schritt. Du kannst das Gefühl nur loslassen, wenn du es erst mal zugibst. Und trotzdem weißt, dass du ein guter Mensch bist. Du bist ein guter Mensch.“
    „Ja, und jetzt?“ Ich fühlte mich kein bisschen verwandelt.
    „Jetzt zünde jeden Tag ein Kerzchen an und schick Emilie deine Liebe“.
    „Ich liebe sie aber nicht“, sagte ich sauer.
    „Das macht nichts. Tu es trotzdem. Es wird auf Dauer etwas ändern. Ganz sicher. Es ändert sich aber nichts, wenn du ihr deine grätigen Gedanken schickst. Die fallen nur wieder auf dich zurück“.
    „Aber ich will gar nicht mit ihr zusammen sein“.
    „Musst du auch nicht. Aber du erhebst dich, wenn du das tust, verstehst du? Überlass Gott, was dann passiert“. 
    Eine Weile starrte ich stumm vor mich hin. Dann fragte ich leise:
    „Und J? Meine Eltern? Wie...“
    „Das geht tiefer, mein Kleines. Aber im Wesentlichen: dasselbe in grün“.
     
    Jeden Tag sah ich auf die Uhr, erschrocken, dass der Tag so schnell vergangen war. Immer geleitete er mich zur Tür, immer lächelte er und sagte: „Dann bis morgen, mein Kind.“
    Und machte mich mit diesen fünf Worten zum glücklichsten Menschen der Welt.
     
    Ich spürte, wie ich mich änderte. Die unendliche Geduld des alten Mannes, die Liebe, die ich ihm entgegenbrachte und er mir, und die nichts mit der üblichen Auffassung dieses Begriffes zu tun hatte, seine Weisheiten, seine Tiefe... dies alles änderte mich. Ich spürte, wie die Spannung nachließ, ich innerlich leicht und gelöst wurde. Ja, ich änderte mich. Die

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