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Tropfen im Ozean

Tropfen im Ozean

Titel: Tropfen im Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Subina Giuletti
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und immer wieder auf dieses Wesentliche, auf das Licht in mir auszurichten.
    „Du musst etwas haben, das unveränderlich ist“, sagte er. „Alles andere auf dieser Welt verschwindet irgendwann. Und die gesündeste Art, diese Welt zu betrachten, ist aus einer hohen Perspektive heraus“.
    „Wie kann man das, wenn man in seinen Mustern so vergraben ist?“, fragte ich. „Ist es nicht wichtig, sich um diese ungelösten Sachen zu kümmern? Ist das nicht der Weg zu dieser höheren Sicht?“
    „Doch ja, das muss man auch. Aber wenn du aus einem Loch raus willst, brauchst du nicht unbedingt jemanden, der mit dir drinsitzt und es in Längen und Breiten ausmisst, sondern eben einen, der außerhalb steht, der weiß, wo es rausgeht und dir die Hand reichen kann. Wie willst du diese Hilfe sehen, wenn du nicht nach oben schaust?“
    „Aber die Sache mit J...“
    „... ist deine Leiter. Dein Spiegel, dein Wecker, deine Rettung. Und auch deine Beziehung mit Emilie. Auch sie ist eine Leiter für dich“.
    „Eine Leiter!“, krächzte ich erstaunt.
    „Ja, alle Beziehungen sind Schlüssel-Schloss-Geschichten. Sei ihnen dankbar. Und versuch zu erkennen, was sie dir zeigen.“
    „Okay“, sagte ich verständnislos. „Und was zeigen sie mir?“
    „Ganz einfach: Was fühlst du, wenn Emilie in deiner Nähe ist?“
    „Denunziert“, schoss es spontan aus mir heraus. „Sie taucht auf und ich bin ein Niemand. Sie taucht auf und sie will , dass ich ein Niemand bin! Und das Schlimmste ist, dass sie überall herum erzählt, dass ich eifersüchtig auf sie bin! Aber das ist es nicht, ich weiß, dass es das nicht ist! Ich bin mit so vielen schönen Menschen zusammen und sie alle kann ich schön sein lassen - bei keinem ist es so wie bei ihr! Oh... sie ist so hinterhältig! So subversiv! Meine Eltern glauben immer nur ihr! Ich hab nicht die geringste Chance, ihnen meine Sicht zu erklären! Sie wollen’s gar nicht wissen! Sie haben mich immer verurteilt für das, was Emilie über mich fabriziert hat! Nie wollten sie wissen, wie ich etwas empfinde! Aber Emilie... Emilie...“
    „Ja, bleib konkret“, hakte er, unberührt von meinem Ausbruch, nach. „Was ist da noch, was du fühlst?“
    „Wut!“
    „Worüber?“
    „Weil es ihr nicht reicht, die Liebe meiner Eltern und von allen anderen zu bekommen – sie muss auch sicher sein, dass ich leer ausgehe! Sie hat alles genommen, die blöde Kuh, weil sie selbst alles will!“
    Bumm. Da war es. Betroffen hielt ich mir die Hand vor den Mund. Der alte Mann sah mich an. Wissend und klar.
    „Gut“, sagte er. „Ja. Das stimmt. Und jetzt?“
    „Jetzt ist es zu spät“, sagte ich verbittert. „Die Situation ist total verfahren. Und das wird so sein bis ans Ende meiner Tage.“
    „Eben“, konstatierte er und ich sah ihn überrascht und verletzt an.
    „Wie bitte?“
    „Ja, genau“, bejahte er. „Oder meinst du, du wirst das noch ändern?“
    Bestürzt starrte ich ihn an.
    „Ich... hab es gehofft“, wisperte ich und fiel innerlich in eine Schlucht. „Ich hab es wirklich gehofft.“
    „Aber es wird nicht so sein“, sagte er sanft und legte den Arm um mich. Da fing ich an zu weinen, weil ich spürte, dass er Recht hatte. Meine Mutter liebte Emilie einfach mehr als mich – es war so. Und ich musste das sogar verstehen. Immerhin war ich diejenige, die verschlossen war, die ewige Nervensäge, die sich profilierte, die so unliebsam war, so unsympathisch... einfach ein schrecklich peinliches Kind. Hätte ich mich geliebt? Nein.
    „Ja, du liebe Zeit! Stopp!“, rief da WOM energisch neben mir und rüttelte an meinem Arm. „Stopp! Sofort stopp! Das ist dein Untergang... diese Gedanken... das ist dein Triggerpunkt... ojemine... so! Da bleiben wir mal! Putz dir die Nase... hier... und hör mir zu!“
    Aufgewühlt starrte ich ihn an, sein Taschentuch greifend, immer noch versunken in diese schwarzen Empfindungen, die ich mein Leben lang gehegt hatte. Dann sah er mich mit einem vergnügten Zwinkern an, das aber den Ernst nicht ganz aus seinen Augen spülte und seine Hand tätschelte mein Bein.
    „Hör mal“, sagte er. „Was du da machst, ist schrecklich. Ist dir das bewusst? Du darfst dich nicht kleinmachen, indem du deine Fehler auflistest. Du sollst dich nicht mit Schuld belasten – identifiziere dich bloß nicht mit diesen blöden Vorstellungen deines Geistes! Willst du dir freiwillig einen Misthaufen ins Zimmer setzen? Du solltest dir immer und immer bewusst machen, dass Gott in dir

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