Tropfen im Ozean
Scriptwriter. Aber der kann erstens keine Regie führen und zweitens war sein Storyboard so langweilig, dass Zehngold, als er davon erfuhr, fast ausgerastet ist. Und das ist doch ein echt schlechtes Zeichen bei einem so höflichen Menschen wie ihm. Er hat J klargemacht, dass wir gerade gewaltig unser Image verspielen. J droht, wenn du nicht zurückkommst, verlieren wir alle unseren Job. Bis jetzt hat er den Kunden noch vertrösten können, aber inzwischen sind beide, Zehngold und der neue Kunde sehr ungehalten. Hinzu kommt, dass wir im Moment etliche zahlungsunwillige Kunden haben... J dreht am Rad – er schreit nur noch rum! Und die blonde Tuss lässt durchblicken, dass du schon immer eifersüchtig und unzuverlässig warst... und abgehauen bist, weil du den Vergleich mit ihr scheust ... grmpfff!
Ich kann dich wirklich verstehen, aber bitte, bitte komm zurück. Wir sitzen hier alle auf Kohlen und alles staut sich, weil du fehlst. J kriegt das nicht hin und wenn wir wirklich unseren Job verlieren... ich meine, so einige hier haben Familie...“
Knack, die Eihülle war kaputt. Ich konnte die anderen nicht hängen lassen. Auf keinen Fall. Überdies musste ich für meine Zukunft sorgen und das war vielleicht der beste Moment, um Bedingungen zu stellen.
Doch der Gedanke an J und Emilie würgte in mir. Emilie mit ihren subtilen Bemerkungen und ihrem falschen Zuckerwatte-Unschuldslächeln! Und J, diese Ratte! Ihm lag nichts an mir! Weder als Frau noch als Regisseur! Wenn er einen Ersatz gefunden hätte, hätte er mich mit Freuden geschasst! Sein erst vor zwei Tagen abgelieferter Zettel lag wie ein radioaktives Element auf dem Boden.
Gedanken schossen wie Munition in meinem Kopf umher: Er fasst dich nicht mehr an. Er lässt dich in Ruhe. Will ich in Ruhe gelassen werden? Ich könnte ihm den Zehngold-Auftrag einfach wegschnappen... mit einem anderen Studio zusammenarbeiten... aber das Ding durchziehen ohne Rob und Elisha, ohne mein Team? Auch Rob und Elisha hatten ein Jahr Kündigungszeit. Und ich hatte zudem eine Abwerbungsklausel und Kundenschutz in meinem Vertrag.
Wollte ich den Job bei J weiterhin machen? Den Job schon, aber nicht mit J. Und schon gar nicht mit Emilie. Komischerweise war ich auf sie viel wütender als auf J. Es stachelte viel mehr, wenn ich an sie dachte als an ihn.
Nein, ich brauchte einen Plan. Wie würde J wohl reagieren, wenn ich kündigen würde? Er würde mir das Leben zur Hölle machen und er hätte volle zwölf Monate, dafür zu sorgen, dass meiner Zukunft das Gleiche passierte. Die Lösung war, die Bedingungen meines Vertrags zu ändern. Das war meine einzige Chance.
Zögernd starrte ich auf den gefalzten Zettel von J. Zögernd nahm ich ihn in die Hand, faltete ihn auf:
„Hey, Honey“, stand da in seiner steilen, fliegenden Handschrift, und sie sah furchtbar flehend aus. „Es tut mir echt leid... richtig leid... wirklich! Ich war ein Idiot. Lass uns reden“.
Das gab den Ausschlag – ich würde verhandeln können. Dachte ich, glaubte ich.
***
Die Nachrichten legte ich auf meine Küchenanrichte und fühlte Bedauern in mir, dass eine Zeit in meinem Leben um war, die so nie wiederkommen würde.
Nachdenklich betrachtete ich mich im Spiegel. Meine Haut war rein, die Pickel verschwunden. Ich hatte deutlich abgenommen, mein Haar hatte wieder Glanz, mein Gesicht Kontur, meine Augen waren klar und groß und sie leuchteten. Das fiel mir nun zum ersten Mal auf. Aber es schien mir wie ein Gesundungsprozess, der, noch nicht abgeschlossen, schon wieder unterbrochen wurde – und ich hatte schwere Bedenken davor, zu schnell in altes Fahrwasser zurückgeworfen zu werden. Entschlossen machte ich mir Kaffee, holte meine Kladde hervor, setzte mich an den Küchentisch und spielte mit dem Stift.
Nach und nach landeten klar definierte Punkte auf dem Papier, bildeten eine Liste. Und einer davon war: ein Haus im Grünen.
Rückkehr
„Wie wird das mit dir und mir?“ fragte ich und sah ihn bang an. „Darf ich weiter zu dir kommen?“
Ich saß mit dem alten Mann auf der Bank in der Sonne, wie so oft in den letzten Wochen.
„Aber natürlich“, sagte er lächelnd. „Wir sind doch noch mittendrin... wir ändern ganz einfach den Stundenplan“.
Tiefe Erleichterung durchflutete mich und mein Gesicht hellte sich auf. Solange ich ihn hatte, konnte mir nichts passieren.
„Außerdem passt das ganz gut – ich muss mich auch um einiges kümmern und bin die nächste Zeit nicht
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