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Tropfen im Ozean

Tropfen im Ozean

Titel: Tropfen im Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Subina Giuletti
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sonst gehen?“
    Grätig hörte ich, was er sagte. Ein Gefühlssturm tobte in mir und ich war voll involviert. Wie konnten Gedanken und Gefühle nur so klebrig sein? WOM redete weiter, ungehört, bis ich aus dieser dicken Watte in meinem Kopf wieder auftauchte, seine Stimme erneut an mein Ohr drang, seine Worte in mein Herz:
    „...was hast du neulich während der Meditation gefühlt? Ich zitiere dich: Du hast von Flutwellen voller Freude gesprochen! Warum hast du Freude gefühlt? Ist irgendetwas passiert, was dies ausgelöst hat? Nein. Du saßest in einem dunklen Zelt und nichts war um dich herum. Dennoch: Du bist mit absolutem Glück in Berührung gekommen - nur berührt! - du stehst immer noch an der Tür, bist noch nicht einmal durchgegangen! Du hast keine Ahnung, welche Kaskaden an Freude, Glück und Liebe sich da noch in dir verbergen! Und das ist Gott. Gott ist unendliche Freude, Liebe, Friede und Glück. Wenn du das einmal auch nur ansatzweise erlebt hast, dann kommt dir diese äußere Welt mit ihren Verlockungen fade und öde vor und du lachst über deine kleinen Wünsche. Du lachst über deine Sorgen, ich schwöre dir, du lachst dich schief über diese Welt! Du beschwerst dich, dass du Gott nicht kennst, aber was du hast du denn unternommen, um ihn kennen zu lernen? Wie viel Zeit hast du aufgewandt? Warum sollte er/sie/es sich zu erkennen geben, wenn du dauernd woanders hinschaust? Aber wenn du da hinein tauchst, spürst du, wie unwichtig deine Individualität ist, wie unwichtig all die Dramen, die wir uns selbst bereiten!“
    „Meine Individualität ist unwichtig?“ fragte ich maßlos erstaunt und am Ende meiner Aufnahmefähigkeit. „Meinst du das so, wie es sich anhört?“
    „Ja, genauso. Du hast gesagt, du willst frei sein. Ist dir klar, was das wirklich heißt?“
    Ich fühlte mich, als habe er mich an eine Klippe geführt und forderte mich nun auf zu springen. Herausfordernd war sein Blick, abwartend, prüfend, gespannt. Ich starrte zurück und frühere Gedanken, die ich nie zu Ende gedacht hatte, strömten in meinen Kopf: Freiheit schien der Schlüssel für alles zu sein. Frei von Ängsten, von Gedanken, Sehnsüchten, Beziehungen – selbst frei von Gefühlen.
    „Aber...“, fragte ich ihn niedergeschmettert „Wer bin ich dann noch? Bin ich dann überhaupt noch jemand? Und – so der Umkehrschluss – besteht meine Existenz aus Sehnsüchten und Wünschen? Das kann nicht sein. Ich will mehr sein als das“.
    „Du bist auch mehr als das“, sagte er zu mir, mit einem geradezu seligen Lächeln im Gesicht. „Dein Ego besteht aus Wünschen und Sehnsüchten. Der Tropfen, der kommt und geht. Aber du könntest ein mächtiger Ozean sein, wenn du dich ins Meer fallen lassen würdest.“
    „Und meine Identität aufgebe“.
    „Du bist ja dann vereint mit deiner Quelle, mit unendlichem Potenzial – das ist dann deine Identität – die beste, die du haben kannst! Lass dich reinfallen, es ist bestimmt ganz anders als du denkst. Dein Leben geht weiter, anders, besser. Du löst dich doch deswegen nicht auf, du hast noch immer deine Persönlichkeit – du bist nur frei. Das Ego hat immer Angst zu sterben. Du kennst diesen Spruch: Stirb, bevor du stirbst. Lass dein Ego sich auflösen und niemand kann dich verletzen – das ist echte Freiheit und Glück – als Tropfen im Ozean hast du alles... alles... denk drüber nach...du hast doch dann alles !“
    Stumm sah ich ihn nach dieser eindringlichen Ansage an. Die Wut war weg. Wenigstens das. Aber ich konnte nicht akzeptieren, was er sagte.
    „Ich will nicht ein Tropfen in der Masse sein“, sagte ich zweifelnd. „Wozu sind wir Individuen, wenn wir das nicht leben dürfen? Warum haben wir einen eigenen Willen, wenn nur der Wille Gottes zählt?“
    Das ging mir einfach zu weit. Tropfen im Ozean – das hörte sich farblos und leer an. Ein Tropfen, ein Nichts – das war ich jahrelang gewesen und genau das wollte ich doch loswerden.
     
    Die Stimmung war zum ersten Mal getrübt als er mich zur Tür geleitete. Das tat mir Leid, aber gerade konnte ich so gar nicht über meinen Schatten springen. Als ich dann vor ihm stand, legte er mir die Hand auf die Schulter.
    „Manchmal“, sagte er leise. „... sind die Menschen traumatisiert und dann liegen dicke Schichten um ihr Herz. Dann dringt nichts ein und es kommt nichts raus, bis man es auflöst. Aber dazu muss die Zeit reif sein. Wenn es bei dir so wäre... wärst du bereit?“
    „Ja“, sagte ich mit Inbrunst,

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