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Tropfen im Ozean

Tropfen im Ozean

Titel: Tropfen im Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Subina Giuletti
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lebenslange Bitterkeit oder Depression über den Verlust. Natürlich ist es das Wichtigste, Kinder zu lieben, überhaupt zu lieben – Liebe ist immer das Wichtigste. Sie ist unsere Substanz. Alles, was ich sagen will, ist, dass es keinen Grund gibt, fehlender Liebe hinterher zu heulen, wenn sie nicht von den Eltern kommt. Das wäre doch hirnlos, nicht? Und ungerecht, wenn Kinder, die kein schönes Zuhause haben, keine Chance hätten, diese Liebe zu finden, verstehst du? Es gibt Billionen Wege zum echten Glück und jeder hat die Chance - es ist jedermanns Entscheidung. Und das hier ist deine Situation. Du heulst deinen Eltern immer noch hinterher. Und in Folge dessen gibt es eine Emilie, die dir vorgaukelt, alles zu haben. Und es sich sogar selbst verkauft. Aber das ist Täuschung. Oder glaubst du allen Ernstes, dass J der totale Hauptgewinn ist? Und selbst, wenn er es wäre... was hat das bitteschön mit deinem eigenen Glück zu tun?“
    Harte Worte. Ich schluckte ein paar Mal, um sie zu verdauen, aber sie lagen mir schwer im Magen. WOM hatte wie immer Recht. Emilie und ich hatten beide um die Gunst meiner Eltern gebuhlt. Mit dem, was wir hatten. Und die Eltern, so blitzte die Erkenntnis in mir auf, hatten um unsere Gunst gebuhlt – mit dem, was sie hatten. Meinem Gefühl nach hatte Emilie gewonnen. Sie war herzlich und lieb, ich kratzbürstig und übereifrig. Ja, gut, letztendlich war ich ein Kind, das einfach Liebe gewollt und keinen anderen Weg gesehen hatte. Aber... zum ersten Mal blitzte die Einsicht in mir auf, dass meine Eltern, speziell meine Mutter, sich nach meiner Liebe gesehnt haben mochte – einer Liebe, die ich ihr nicht hatte geben können.
    Aufgewühlt von diesem Gedanken saß ich neben WOM.
    „Weißt du, mein Kleines“, sagte er und legte seinen Arm um meine Schulter. „Kinder suchen sich immer eine Position, die noch nicht besetzt ist. Das eine ist gut in der Schule, das andere spielt den Rowdy, das dritte ist das Häusliche... das ist immer so. Nachdem Emilie die Position des herzlichen Kindes besetzt hielt, und mit allem, was ihr möglich war, verteidigte, konntest du nicht auf den gleichen Platz springen, verstehst du? Du hast dir halt den der Leistung ausgesucht – es blieb dir nichts anderes übrig. Und wohin hat es dich gebracht? Dass du heute noch immer hinter Anerkennung her bist, weil du meinst, sie sei deine Erlösung. Du hast immer noch das gleiche Rezept und es kommt das immer gleiche Gericht raus – nur Leid. Und doch kochst du es wieder und wieder. Aber das Leben hat dir doch gezeigt, dass es so nicht läuft. Leistung ist gut, Anerkennung ist schön, aber die Intention, aus der heraus du das alles willst, ist tiefer Mangel... und dann geht’s schief. Damals warst du ein Kind. Aber heute kannst du es durchschauen... und wählen“.
    Ich starrte auf seine Hand, auf die Flecken, die die Transparenz seiner feinen Haut so unterstrichen. Und plötzlich durchriss ein Augenblick voller Klarheit den Sumpf meiner Gedanken. Ich sah, wie Emilie und ich beide versucht hatten, aus dem Schattendasein herauszutreten und dem Leben einfach „Hallo“ zu sagen. Beide waren wir Kellerkinder, die ins Licht treten wollten und auf die passenden Chancen und Gelegenheiten gewartet hatten. Einmal sagen zu können: ‚Ich bin auch wer. Ich werde geliebt. Ich bin es wert’. Das wollte sie, das wollte ich. Ich konnte sie nicht für etwas verurteilen, was ich selbst wollte.
    W er wirft den ersten Stein, da, wo Verständnis aufblitzt, Erkennen und Einsicht? Oh, lieber Gott, dachte ich. Es ist nur eine Frage des Standpunktes. Wo stehen wir, wenn wir urteilen? Wo, wenn wir Verständnis zeigen? Wo, wenn wir erkennen, dass es eigentlich nichts, nichts zu verzeihen gibt?
    WOM lächelte sanft: „Dauert ein Weilchen, bis sich das setzt“, meinte er. „Aber das ist ein guter Weg. Ein guter Weg. Zünd die Kerze an  - du hast das bislang nicht gemacht, zünd sie an und sieh, was passiert“.
     

Adelgunde
     
    „Wie heißt sie denn?“
    „Kruse. Adelgunde“.
    „Ui. Und wie alt?“
    „47“.
    Wir saßen im Auto. Elisha, Rob und ich. Rob hatte diesen Termin unbedingt machen wollen und Elisha war allein deswegen auf ihn sauer. Die Routine zwischen den beiden war geradezu lächerlich:
    „Elisha“, sagte Rob und sie drehte die Augen nach oben. Schmollmund, Action, Rob legte los: „Steht ein Mann an der Theke, lässt einen Furz, sagt sein Nachbar, haben Sie einen Furz gelassen? Sagt der Furzer, glauben Sie,

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