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Tropfen im Ozean

Tropfen im Ozean

Titel: Tropfen im Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Subina Giuletti
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Ohr. Seine Stimme kitzelt, rinnt den Gehörgang hinein, kribbelt meinen Rücken hinunter, ich bäume mich auf. Er packt mich fester und küsst mich und ich vergehe in diesem Kuss, gleichzeitig ist Angst da... wovor? Ich bin doch keine Jungfrau mehr... es ist schön... es ist Florian... Ich dränge mich an ihn, tue alles, damit er zur Erfüllung kommt. Und... Gott sei Dank... er ist ein Mann, er kann sich nicht lange beherrschen. Erleichtert und unerfüllt liege ich neben ihm. Die Erleichterung ist zuerst da. Dann kommt das Unerfüllte. Ich bin noch erregt. Fühle es pochen in mir. Es pulsiert, es schwingt. Ich bewege mich ganz leicht in diesem elektrisierenden Gefühl. Und Florian geht darauf ein. Doch statt es zu genießen will ich flüchten. Oh, Gott! Er war doch fertig! Was will er denn jetzt? Was wird er von mir denken, wenn ich nicht mitmache? Ich muss mitmachen. Ich mache mit. Es wird unangenehm, es wird unecht und Florian spürt es. Er ist der erste Mann, der das spürt. Er lässt von mir ab.
    Ich fühle mich schrecklich.
    Er steht auf, geht ins Bad. Kommt zurück, sitzt am Bettrand. Nachdenklich. Sinnend. Ich liege befangen unter der Decke, hebe leicht den Kopf, sehe, dass er nachdenkt, lasse den Kopf resigniert wieder sinken. Es ist immer so. Ich weiß nicht, warum. Kein Wunder, dass er frustig ist.
    Florian legt sich wieder neben mich und breitet die Decke über uns aus. Tapfer dränge ich alle miesen Gedanken weg. Er legt seinen Arm um mich und alles ist gut. Noch.
     
    ***
     
    Am Morgen verabschiedete sich Florian sehr ernst von mir. Ich wagte nicht, nachzufragen. Es war auch keine Zeit. Ich musste ins Büro, aber wir trafen uns am Abend wieder. Beide waren wir müde von der Arbeit und gingen wie ein altes Ehepaar zeitig ins Bett. Ich wollte etwas sagen, aber er legte den Finger an meine Lippen, raunte:
    „Nichts sagen... du musst nichts sagen... es ist alles in Ordnung“. Und gab mir einen unverfänglichen, fast brüderlichen Kuss. Das löste in mir sehr gemischte Gefühle aus. Wollte er nicht mit mir schlafen? Was war los? War das schon der Anfang vom Ende? Zwanghaft drehte ich mich zu ihm um und begann, ihn zu streicheln. Aber zu meinem Entsetzen wehrte er ab, packte meine Hände und legte sie zurück. „Heute nicht“, murmelte er in mein Ohr. Er war sanft, zärtlich, aber bestimmt. Er legte nur den Arm um mich und hielt mich. Nach einigen Minuten der Panik gab ich auf. Ich war müde und schlief schließlich ein.
     
    „Wach auf, wach auf!“ dringt an mein Ohr. „Verdammt, wach auf!! Ich bin hier!“
    „...bin hier, bin hier, bin hier...“ hallt es in mir wie ein Echo nach. Die Stimme dringt nur schwach in mein Bewusstsein. Ich quietsche mit geschlossenem Mund. Ein tierisches Geräusch. Die Rufe und dieses Wimmern wühlen sich zeitversetzt wie durch Watte in mein Ohr. Ich fühle, wie jemand mich schüttelt. Mein Mund ist zugeklebt, keine Luft! Keine Luft! Ich ersticke! Eine unglaubliche Welle an Panik flutet in mir hoch, Angst, wie ich sie noch nie in meinem Leben gefühlt habe. Ich will den Mund öffnen. Ich kann nicht. Ich habe keine Lippen, da ist keine Öffnung. Ich schreie innerlich: „Mama, Mama, Mama, Mama!“ aber Mama kommt nicht. Sie kommt nicht. Sie kommt nicht. Und als ob der Satz erst mit der letzten Wiederholung in mein Bewusstsein dringt, in seiner kruden, nackten, unmenschlichen Bedeutung: ‚Mama kommt nicht... sie ist nicht da, du bist allein...’ überfällt mich ein solcher Tsunami an bodenloser, irrer Angst, dass ich mich aufbäume wie ein abgestochenes Tier. Dieses grauenhafte Wimmern kreischt in meinen Ohren. Meine Kehle schmerzt von diesem Schrei, der keiner ist. Meine Wange brennt, jemand hat mich geschlagen, ins Gesicht. Ich halte die Hand an die Wange und greine wie ein dreijähriges Kind. Endlich öffnet sich mein Mund, endlich höre ich meine Stimme, kriege ich Luft. Ich heule und von diesem Geräusch wache ich endgültig auf. Florian sitzt vor mir im Bett, die Hand noch erhoben, entsetzt und fassungslos. Als er sieht, dass ich wach bin, nimmt er mich in den Arm. Aber ich spüre nichts. Gar nichts. Nicht ihn, nicht mich. Nur den Nachhall dieser furchtbaren Verzweiflung.
     
    Als Florian endlich eingeschlafen war, stand ich auf und ging ins Bad. Leise zog ich die Toilettentür hinter mir zu und schloss ab. Florian hatte die ganze Zeit über mich gewacht, mich aber weder geküsst noch gestreichelt. Nur gehalten und kurze Sätze gemurmelt, bis er selbst

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