Tropfen im Ozean
verhalten. Und ihr Katastrophenheini tat das, was er immer gemacht hatte. Er fütterte sie mit Schreckensberichten über die üblen Menschen und die üble Welt, angefangen von Plastikmüll im Ozean, Drogen in Mexiko, Kinderpornos im Internet bis hin zur weltweiten Mafia und Verschwörungstheorien der Illuminaten. Man konnte zusehen, wie Elisha den Glauben an die Welt immer mehr verlor und sich wieder dem Punkt näherte, an dem sie gewesen war, bevor ich sie angerufen hatte: Sie war drauf und dran, ihren Job zu kündigen, weil er ihren und Ralfs ethischen Grundsätzen nicht entsprach.
Ihre Stimmung entging mir nicht und ich versuchte sie aufzuheitern. „Was denkt ihr“, sagte ich „... wir könnten mal wieder was trinken gehen! Wir waren schon lange nicht mehr zusammen aus!“
„Das machen wir! Das ist super!“ rief Susann. „Jetzt haben wir ja den großen Auftrag, da haben wir auch was zu feiern!“
Ich stutzte kurz. „Äh... tut mir leid, aber den haben wir noch nicht“, sagte ich. „Wir müssen abwarten“.
„Aber... du... du hast doch den Fragenkatalog mit Wiedemann gemacht! Und schreibst das Drehbuch!“
„Herr Wiedemann holt sich Vergleichsangebote ein und es ist fraglich, ob wir mithalten können, Ich hab nur erste Vorschläge schicken können.“
„Oh!“ sagte Susann. „Das... das wusste ich gar nicht“.
Sie wirkte verstört und verstummte, in Gedanken versunken. Ich wandte mich an Elisha.
„Elisha, wie wär’s mit einem Glas Wein bei mir?“ fragte ich sie freundlich und sie antwortete grätig:
„Wenn’s auch Tee gibt, gern“.
„Tee hab ich auch. Und pestizidfreien Bio-Wein... extra für dich gekauft! Na? Ist das nix?“
Elisha nickte unglücklich.
„Kann ich mit?“ fragte Rob.
„Wenn der kommt, bin ich weg“, erwiderte Elisha und ihre Stimme klang hart.
„Wärst dir lieber, wenn Orlando dort wäre?“ fragte Rob bissig zurück und die Atmosphäre im Raum änderte sich von einer Sekunde auf die andere. Rob und bissig? Das ließ uns alle verstummen.
„Oder dein nach Knoblauch und Henna stinkender Bio-Bätz?“ fuhr er fort und in seinen Augen glitzerte mit einem Mal etwas Gefährliches auf. Elisha war in ihrer Haltung erstarrt, dann drehte sie sich langsam um.
„Du kennst doch das Beispiel mit der Zwiebel“, sagte sie so betont ruhig, dass selbst ich einen Hals bei ihren Worten bekam.
„Welches Beispiel.“ Rob wirkte in erster Linie genervt, aber mehr noch unendlich frustriert.
Langsam und akzentuiert sagte sie: „Na, die Zwiebel, das Gemüse mit den vielen Schalen... die äußersten sind übrigens die gröbsten – schon mal aufgefallen?“
„Mann, Elisha, komm mir jetzt nicht mit dieser Psychonummer... ausgerechnet du!“ Rob wandte sich ab. Elisha wurde puterrot im Gesicht. Wir anderen sahen uns kurz an.
„Normale Menschen“ fuhr Elisha mit diesem wütenden Gesicht fort. „die ein bisschen Sensibilität aufweisen, schälen die äußeren Schichten ab... bis man an das Innerste kommt“. Hasserfüllt schaute sie Rob an. Ihr ganzer Frust kam nach oben und entlud sich in ihren nächsten Sätzen.
„Aber du... du bist der oberflächlichste, gröbste Mensch auf Gottes Erdboden“, stieß sie hervor. „Du willst noch nicht einmal die älteste, mieseste Schicht lösen... du bist... ein impertinentes Kleinkind, das nur eines kann: Dreck über andere stülpen!“
Elishas Lächeln wurde blasiert, immerhin war es das erste Mal, dass sie sich wehrte. Rob starrte auf seinen Bildschirm, die Kiefer zusammengepresst und es war leicht zu erkennen, dass er sich um Beherrschung bemühte. Doch dummerweise spiegelte sich Elishas selbstgefälliger Ausdruck in seinem Monitor und löste geradezu hörbar einen Klick in seinem Gehirn aus. Ganz gegen seine Gewohnheit sagte er nichts. Im gesamten Studio war es still. Dann drehte er sich langsam zu Elisha um und in seinen Augen stand unsägliche Wut - und totale Hoffnungslosigkeit. Mit geweiteten Augen wich Elisha zurück. Rob starrte sie an, böse und hochkonzentriert.
„Und?“, biss er zu. „...was passiert, wenn du deine verdammte Seelenzwiebel schälst? Es ist zum Heulen und zwar buchstäblich! Wenn einer im Dreck wühlt, dann du! Schau dir doch mal an, welchen Mist du in die Welt schleuderst mit deinem Gehetze! Ich meine, wer bist du? Du bist eine total verklemmte, sich mies fühlende Esoteriktuss! Seit du mit diesem Blödsinn angefangen hast, bist du keinen Tag glücklich! Vorher warst du wenigstens menschlich, aber
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