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Tropfen im Ozean

Tropfen im Ozean

Titel: Tropfen im Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Subina Giuletti
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vor dem Zusammenbruch des Geschäfts. Lisa stand inmitten der Abiturprüfungen, als der Hurrikan über die Familie herein brach. Die Banken kündigten Hänsler alle Kredite, seine Frau hielt dem Druck nicht mehr stand, bekam einen Nervenzusammenbruch und wollte sich scheiden lassen, dann hatte sie auch noch diesen Unfall... und Julia... Julia hatte jemanden kennen gelernt, der ihr die Sterne vom Himmel holen wollte. Wir Lehrer haben gesehen, wie sie von diesem Typen während der Schulzeit abgeholt wurde. Er stand mit seiner aufgemotzten Corvette auf dem Schulparkplatz, hat gehupt und mit einer Flasche Champagner gewinkt. Julia ist einfach aufgestanden und hat den Unterricht verlassen. Wir haben das ihren Eltern gesagt, aber... es hatte wenig Sinn. Deren Köpfe waren voll. Lisa hat Julia ins Gewissen geredet, hat versucht, die Mutter zu spielen, hat versucht, sie aus der Sache rauszureißen. Aber... es gelang ihr nicht... Julia ist versumpft, im wahrsten Sinne des Wortes. Sie ist von der Schule abgegangen, hat noch nicht mal die zehnte Klasse beendet und ist mit diesem Champagner-Typen abgehauen. Sie rutschte ins Rotlichtmilieu und tja... das ist... tragisch... tragisch... ein so schönes Mädchen... sie war wirklich eine Augenweide...“ Er stoppte, schwieg. Versank in Erinnerungen. Das Drama umwaberte uns, machte alles schwer.
    Ich wagte kaum zu atmen, geschweige denn auch nur eine Frage zu stellen. Dann stand Krug auf, holte einen Ordner vom Regal und kramte umständlich darin herum.  Er fand ein Bild, setzte sich wieder zu mir und hielt es mir hin. Eine dunkelhaarige Schönheit im Sportdress strahlte mich an. Mandelförmige braune Augen, eine kleine schmale Nase, hohe Wangenknochen, voller Mund, langes lockiges, Haar. Ich konnte kaum die Augen von dem Bild abwenden. Dann erinnerte ich mich daran, dass dies ein Interview war, legte das Foto auf den Schreibtisch und hielt mit der Kamera drauf. Schwenkte zurück auf Krug. Zoomte ihn heran, nahm Teile seines Gesichts auf. Front, Profil, Silhouette, ging wieder auf Halbtotale. Er saß da, zusammengesunken. Nahm das Bild in die Hand.
    „Wissen Sie“, sagte er heiser. „Für uns Lehrer ist das manchmal nicht einfach, zu sehen, was aus einem jungen Menschen so wird. Ein Schüler ist nicht bloß jemand, den man unterrichtet. Es entsteht immer eine persönliche Beziehung, und wenn jemand so aussieht wie Julia, dann erregt das nun mal Neugier und Aufmerksamkeit. Man kann sich an diese Menschen erinnern... auch an Elisabeth, weil sie so hart für die Schule arbeitete, weil ihr nichts gut genug war, weil sie immer nach noch besseren Leistungen strebte. Das ergibt eine Bindung... zudem kannte ich ihre Eltern ...“ seine Stimme zerbröselte. Stumm sah ich an.
    „Was ist aus Julia geworden?“ fragte ich dann leise. Herr Krug schloss erneut die Augen. Öffnete sie. Holte tief Luft.
    „Wie gesagt, Rotlichtmilieu. Auf einmal war sie drin. Und kam nicht wieder raus“. Erneut verstummte er, zurückgeworfen in eine Erinnerung, die mir noch verborgen war, die sein Schweigen schwer und dramatisch machte.
    „Woher wissen Sie das?“ hakte ich nach. „Das scheint in den Medien nicht bekannt geworden zu sein... niemand hat darüber berichtet“.
    „Ja, ich weiß“, flüsterte er. „Ich weiß. Reporter sind auch Menschen... Gott sei Dank... und es gibt gute Menschen unter ihnen, glauben Sie mir das.“
    „Aber woher wissen Sie so genau Bescheid? Was verbindet Sie mit der Familie?“
    „Ich war dabei“, sagte  er rau und seine Augen brannten. „Ich war dabei, als es passierte. Ich hatte das mit Julia mitbekommen... so wie jeder in der Schule... dass sie von diesem Menschen abgeholt wurde... man sah sie oft im Park, umgeben von zweifelhaften Gestalten, die Sektflasche oder Härteres in der Hand... es war damals ein offenes Geheimnis, dass Julia abdriftete, nur: „E!Liza“ als Markenzeichen und Presseobjekt gab es ja damals noch nicht. Insofern war Julia einfach ein auf die schiefe Bahn geratenes Gör. Aber ... Lisa... Lisa hat immer versucht, all das aufzufangen, sie hat sich verantwortlich gefühlt für die finanzielle Situation ihrer Eltern... und das Schicksal ihrer Schwester. Ihrer Mutter ging es zu dieser Zeit nicht gut, sie erholte sich von dem Unfall schlecht, weil sie sich keine Reha leisten konnte und dann natürlich die angespannte Situation... die Eltern stritten sich, Julia spielte verrückt und jeder stak in seiner eigenen Katastrophe. Jedenfalls war es

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