Tropfen im Ozean
„Die soll erst mal ihre eigene Entwicklung anschauen, statt über andere zu lästern“.
„Sonnja ist sehr weit“, erklärte mir Emilie. „Auch, wenn sie natürlich ihre Schwächen hat... aber sie macht jetzt Brandon Bays Seminare und Familienaufstellungen und demnächst ein Vollmond-Seminar...“
„Emilie, würdest du jetzt bitte deinen Hintern vom Schreibtisch nehmen... ich hab zu tun“.
„Wie wär’s mit einem Glas Wein heute Abend?“
„Nein, es geht nicht, hab ich doch schon gesagt“.
Aber sie kam einfach uneingeladen. Mit einem Mix aus Überheblichkeit und öliger Freundlichkeit stiefelte sie durch meine gesamte Wohnung.
„Shakti meint, ich sei ganz besonders feinfühlig“, schwafelte sie und schnupperte überall hin. Sie legte ihre Hand auf den Bauch und blieb an bestimmten Stellen länger stehen.
„Du liebe Zeit“, hechelte sie dann, die Augen geschlossen, die Hand auf dem Magen. „Hier ist ja... Angst ... und da...“ sie lief an mein Panorama-Fenster: „Frust... und Verzweiflung...!“
Ich biss die Zähne zusammen, während sie in mein Schlafzimmer ging. „Keine gute Schwingung hier“, erklärte sie mir. „Meine Güte, wie hältst du es in dieser Wohnung nur aus? Was hast du nur für eine Energie hier reingesetzt! Und hier ist...“ Die Küche war dran.
„... hm...hm... was ist das nur für ein Gefühl...? Trauer! Ja, genau Trauer!...und... Selbsthass! Totaler Selbsthass!“
Ich saß wie auf Kohlen und war froh, als sie wieder ging, grummelte über mich selbst, weil ich nicht wirklich wusste, wie ich mich ihr gegenüber verhalten sollte. Ich verstand, dass es wohl ihre Art war, Liebe und Selbstwert zu fordern, aber musste ich mir das bieten lassen?
Doch mein Kopf war voll mit anderen Dingen und als sie weg war, tauchte ich in meine Recherchen ab und freute mich auf die Zeit, da ich endlich wieder spektakuläre Dokus über Bohrer oder Käseherstellung machen durfte.
Einer der ehemaligen Lehrer E!Lizas, die ich anrief, legte bereits nach meinem ersten Satz wieder auf. Hm. Anscheinend waren doch schon Reporter unterwegs gewesen. Ich beschloss in die Schule zu fahren, um dem Ganzen einen offiziellen Anstrich zu geben. Immerhin hatte ich ja versprochen, einen Film über das Gymnasium zu machen und das würde ich auch tun. Also bat ich um einen Besichtigungstermin und hatte Glück: Als Führer durch die Sportanlagen wurde mir der Volleyballtrainer, Herr Krug, zugeteilt, ein knurriger Mann, barsch und bärbeißig, mit einem kantigen Kinn und dunklen, misstrauischen Augen. Sein blauer Trainingsanzug war mit allen möglichen Werbeaufdrucken versehen und unter der Jacke wölbte sich ein stattliches Bäuchlein.
„Ach“, sagte ich zur Begrüßung. „Sie kenne ich aus den Jahresberichten. Sie haben ja mit ihren Mädchen einige Preise eingeheimst“. Ich blätterte in dem einen, in dem auch E!Liza abgelichtet war. „Hier zum Beispiel...“
„Das ist ja uralt“, sagte er. „Wo haben Sie das denn her?“
„Ich wollte mir die Highlights der letzten 15 Jahre holen und dachte, die sind bestimmt in diesen Schulberichten vermerkt... war das damals ihre beste Mannschaft?“
„Wer?“
„Na, die hier... hier steht, sie haben die Schulturniere viermal hintereinander gewonnen“.
„Nein, das haben wir getoppt... aber es war lange Zeit der Rekord“.
Ich betrachtete das Bild. „Ich wusste gar nicht, dass Sie E!Liza trainiert haben... und dass sie eine Schwester hat... “
Der Trainer blieb abrupt stehen. Feindselig starrte er mich an.
„Geben Sie’s zu“ bellte er. „Sie sind nur hier, weil Sie Infos über Elisabeth wollen.“
Ich schluckte. „Ich mache einen Film über diese Schule, soviel ist sicher“, antwortete ich.
„Als Trostpfand?“ höhnte er zurück. „Wenn Sie genügend anderen Dreck kriegen? Oder als Aufhänger für Elisabeth?“
„Nein, in jedem Fall. Ich hab’s versprochen. Der Direktor weiß nichts von E!Liza“.
Er sah mich ärgerlich an. Stumm. Drohend.
„Er kann auch gar nichts wissen – er war noch gar nicht hier, als sie an der Schule war“.
„Deswegen finde ich es prima, mit Ihnen zusammen zu sein“, sagte ich mutig, während mein Herz laut klopfte. „Und ich mache einen Film über die Schule. Das hab ich versprochen“.
„Und wozu wollen Sie dann etwas über E!Liza wissen?“
Ich holte tief Luft. „Weil ich über die auch einen Film mache“.
„Hab ich’s doch gerochen! Ich kann mir schon denken, was für eine Art Film
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