Tropfen im Ozean
das wird!“ Er war kurz davor, mir die Tür zu weisen.
„Nein, das können Sie nicht“, sagte ich fest und funkelte zurück. „Es wird eine Reportage. Eine korrekte“.
„Und was verstehen Sie unter ‚korrekt’?“
„Hören Sie“, sagte ich genervt. „Wenn ich so eine Doku wollte, wie bisher über E!Liza berichtet worden ist, könnte ich Material zusammenschneiden, einen entsprechenden Text drunter legen und das wär’s! Ich brauche aber genau das Gegenteil, verstehen Sie? Ich suche Menschen, die mir etwas anderes sagen können, etwas, von dem ich glaube, dass es der wahren E!Liza entspricht! Gerade nach ihrem letzten Auftritt! Haben Sie das gesehen? Ich war dabei! Ich hab mehr gesehen, als...“ ich biss mir auf die Lippen.
Der Trainer sah mich an. Er wartete darauf, dass ich weiter redete. Schweigend standen wir auf dem Schwingboden der Dreifachturnhalle, während nebenan Basketbälle auf den Boden gepfeffert wurden und Schreie durch die dünne Abtrennung ertönten.
„E!Liza ist ein gutes Mädchen“, sagte Krug dann plötzlich. „Besser als jeder andere da draußen.“
„Aber es redet nie einer drüber“, sagte ich verdrossen. „Ich hoffe von Herzen, dass Sie mir was Positives sagen können, denn was anderes kann ich nicht brauchen. Hören Sie... nach allem, was ich erlebt habe, meine ich, dass Elisabeth in Gefahr ist. Vielleicht können Sie helfen“.
Das gab den Ausschlag. Er zog mich in ein Minibüro neben den Umkleiden und schloss die Tür.
„Ich will die Wahrheit hören“, sagte er drohend. „Und nichts als die Wahrheit. Sie sagen mir jetzt, was Sie haben und was Sie wissen. Wenn Sie mich anlügen, finde ich das heraus, da dürfen Sie ganz sicher sein. Und schneller, als Sie meinen. Ich hab Bekannte bei der Polizei, die...“
„Sie haben Bekannte bei der Polizei!“ rief ich und richtete mich mit glänzenden Augen auf. „Das ist ja grandios! Das ist... oh Gott, Sie müssen uns helfen... bitte...!“
Und ich erzählte ihm alles, von unserem Plan und dem, was wir auf dem Video gesehen hatten. Hektisch klappte ich den Laptop auf und zeigte ihm die Szenen. Er hörte zu, er sah die Aufnahmen, er wurde bleich. Und dann stimmte er, ohne weiter zu zögern, einem Interview zu. Ich holte meine Kamera aus dem Auto und hob sie aufs Stativ. Schade, dass ich Rob nicht dabei hatte!
„Ich mach das nur unter einer Bedingung“, sagte er. „Und das will ich schriftlich: Ich will vorher sehen, was Sie senden. Und ich verklage Sie, wenn nur eine Sekunde anders ist als besprochen“. Umständlich verfasste er einen Disclaimer, meine Vorschläge nahm er gar nicht an, er wollte das so verfasst haben, wie er es für richtig hielt und womit er sich wohl fühlte. Ich unterschrieb.
Und dann, endlich, erzählte er.
Julia
„Julia war anders als ihre ältere Schwester. Sie war weniger ehrgeizig, weniger fleißig, aber sie war eine wunderschöne Erscheinung. Überall, wo sie auftauchte, erregte sie Aufsehen und das genoss sie in vollen Zügen. Als ihr Vater sich geschäftlich emporschwang und bewusst den Umgang mit der Society suchte, war das nicht nur für ihn eine Eintrittskarte in eine Welt, die von außen betrachtet, das non plus ultra, die Erfüllung vieler Träume darstellte. Auch für seine Töchter war das eine neue Erfahrung. Als sie klein waren, war es ihnen egal, als sie das Teenager-Alter erreichten, änderte sich viel. Zum einen liefen die Geschäfte des Vaters nicht mehr so gut und er kämpfte um jede Einladung, um jeden Kontakt, um jedes Geschäft. Die Partys wurden wichtig und nahmen einen hohen Stellenwert in der Familie ein. Die Kinder waren davon geprägt, weil es oft hieß: Da ist der und der dort und der hat diese und jene Kontakte und wenn ich den als Kunden bekomme... er mir einen Auftrag gibt, dann sind wir durch... Alles wurde von diesen ‚Kontakten’ abhängig gemacht und den Kindern eingeschärft, sich gut zu benehmen und nett und freundlich zu diesen Leuten zu sein. Außerhalb der Partys ging es ebenso nur ums Geschäft. Hänsler klammerte sich daran, sein ganzes Universum drehte sich darum, er wollte seiner Familie etwas bieten, aber je mehr er sich anstrengte, desto mehr schien es ihm durch die Finger zu rinnen. Er war wenig zuhause und die Kinder oft sich selbst überlassen.“
Der Trainer saß auf dem Bürostuhl, fuhr sich über das lichte Haar, starrte vor sich hin.
„Wo war die Mutter?“ fragte ich.
„Elisabeths Mutter war zwar da, aber sie machte
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