Tropfen im Ozean
Das glaub ich nicht, das glaub ich einfach nicht!“ Wütend stapfte ich im Zimmer umher und ballte meine Fäuste, bis mein Blick wieder auf Heike traf, die mich entgeistert mit den Augen verfolg te.
„Okay“, sagte ich mit zusammen gebissenen Zähnen. „Okay. Du kommst ins Studio. Du weißt nicht, was du dann machen sollst. Aber ich weiß es. Ich weiß nur nicht, wie und ob wir es schaffen, das zu machen, was wir machen müssen. Und es nützt sehr viel, dass du ins Studio kommst, oh Gott, Heike, du könntest die Lösung aller Probleme sein!“
Verständnislos glotzte sie mich an. Mit fliegenden Fingern legte ich eine DVD ein.
„Schau dir das an“, sagte ich. „Das ist der Film, den ich gemacht habe. Das ist nicht der Film, der gezeigt wird. Das ist der Film der gezeigt werden soll . Schau ihn dir an... und dann reden wir weiter“.
Tief bewegt saß Heike eine Stunde später im Sessel. Eine Träne kullerte ihre hübsch geformte Wange hinunter. „Mein Gott“, sagte sie. „Das ist... grandios... das ist so... das ist einfach... phantastisch! Damit sind wir alle Sorgen los!“
„Nein, sind wir nicht“, holte ich sie zurück. Und dann unterbreitete ich ihr die Schwierigkeiten, die wir zu bewältigen hatten.
Tag X
Es war Nachmittag. Ella war bei mir. Sie schminkte mich, frisierte mich und schaute dabei immer auf ein Foto, dass Heike ihr hingelegt hatte – ein Foto von einer Kollegin, die heute Abend mit ihr Dienst schieben sollte. Neben mir saß Heike, schon fertig zurechtgemacht. Sie sah wie immer traumhaft aus. Beide steckten wir in Abendkleidern mit großem Ausschnitt, aber vor allem: Mit viel Stoff, rauschende Bahnen, die um unsere Beine schwangen und unsere Hände verbergen konnten. Mein Dekolleté war mit Silicon aufgepeppt. Heikes Freundin würde auf dem Parkplatz auf mich warten und nach der geplanten Aktion in ihre kurzzeitig von mir übernommene Rolle schlüpfen.
Ella puderte und pinselte, steckte mir die Haare hoch, ließ ein paar Strähnen herausfallen. Als ich in den Spiegel blickte, schaute mich jemand an, den ich nicht kannte. Mein Mund war voll und rot, die Haut so gleichmäßig wie bei Schneewittchen und meine Augen dunkel und ausdrucksvoll.
„Wow“, sagte Heike. „Ich sag doch, du bist schön! Fertig?“
„Fertig“, sagte ich nervös.
Das Studio. Heike und ich zeigten die Einlasskarten, die an einem blauen Band um unseren Hals hingen. Die Augen des Pförtners glänzten, als er uns sah und Heike schenkte ihm ein strahlendes Lächeln.
„Agentur Pro-Service“, sagte sie und hielt ihm ihre Karte unter die Nase. „... wir sind die Champagner-Ladies...“
„Grundgütiger“, sagte der Mann. „von euch möchte ich auch mal Champagner kredenzt bekommen...“
Heike war heute eingeteilt als Hostess für Studiogäste aus Tokio.
Wir verfügten über zwei Festplatten, jede von uns hatte eine in ihrer Clutch. Beide waren wie die von J gekennzeichnet. Ein Etikett mit einem „E.“ drauf. Ein unauffälliger Punkt zur Unterscheidung.
Wir hatten keine Ahnung, wo die Regie war, denn auch Heike war bisher nur einmal hier gewesen und hatte da ganz bestimmt nicht nach dem Senderaum gesucht. So schön das Kleid auch war – mir wäre es lieber gewesen, normal angezogen zu sein, denn in diesen Roben erregten wir Aufsehen, das wir nicht brauchen konnten. Und vor allem hatten Mädels im Abendkleid nichts in der Regie verloren. Ich biss mir vor Nervosität auf die Lippen.
Zuhause bei mir versammelten sie sich gerade alle um meinen Fernseher. Florian, Rob, Elisha, Gerda, Susann, Bernd, Jimmi, der Sprecher Mats, die Hänslers, Krug. Niemand wusste, wie dieser Abend ausgehen würde.
Heike grüßte nonchalant nach rechts und links, warf Kusshändchen, während ihre Augen wachsam hin und her flitzten auf der Suche nach Hinweisen und möglichen Helfern.
„Ist E!Liza hier?“ fragte ich sie leise. „Weiß sie Bescheid?“
„Nein“, raunte sie zurück. „Ich hab sie nicht erreicht. Sie ist nicht ans Telefon gegangen... zu gefährlich. Sie hat so gar ihr Handy in ein Postfach geschlossen, damit man sie nicht orten kann.“
E!Liza wusste also ebenso wenig, was heute passieren würde. Verdammt, wo war hier der Senderaum? „Mach’s nicht so kompliziert“ hörte ich WOM in meinem Kopf kichern. Die Erinnerung an seine ewige Heiterkeit lockerte mich.
„Wo ist die Regie?“ hörte ich mich einen Vorbeigehenden fragen.
„Den Gang hinter, dritte Tür links“, antwortete er
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