Tropfen im Ozean
vorher von dieser Party gewusst hatte.
„Du fährst mit mir nach Hause!“ sagte er und quetschte mich so fest an sich, dass mir die Brust wehtat. Und er war so drauf, wie seit langem nicht mehr. Wie beim letzten großen Coup saß er, die Proseccodose in der Hand, diesmal auf dem Fahrersitz, und jubelte.
„Mann, wir werden noch ganz, ganz groß! Wir sind jetzt groß!! Jetzt tanzen wir in einer völlig anderen Liga! Wir werden Stars live erleben, in Cannes dabei sein, bei der Bambi-Verleihung... das ist Leben! Waaahnsinn! Waaaahhhhnnnnsinnnn!!!!“
Ich saß neben ihm und irgendetwas fehlte. Es dauerte eine Weile, bis ich draufkam, was es war – er fasste mich nicht an. Kein Busenquetscher, keine Hand zwischen meinen Beinen - nichts. So ambivalent meine Gefühle diesbezüglich waren – es fehlte mir. Warum? Weil er mir damit immer signalisiert hatte, dass er mich wollte? Hieß das, er wollte mich jetzt nicht mehr? Ein mulmiges Empfinden bemächtigte sich meiner. Ich sah zu ihm hinüber. Hatte ich was falsch gemacht? Stank ihm das nicht abgesprochene Umschreiben des Drehbuches?
Und als wären diese Gedanken zu ihm geschwappt, schob er gedankenverloren seine Hand in meinem Hosenbund. Automatisch zog ich den Bauch ein. Unsinnige Erleichterung machte sich in mir breit.
„Bist du böse wegen dem geänderten Drehbuch?“ fragte ich ihn.
„Wie? Was?“ Er war immer noch woanders. „Ach, Quatsch, nein, das hab ich wieder hingebogen“.
„Wie meinst du das, du hast es wieder hingebogen? Zehngold war doch nicht sauer, oder? Jedenfalls hat er auf mich nicht diesen Eindruck gemacht.“
„Nö, woher denn, sauer war der nicht“, sagte J, noch immer in Gedanken versunken. Dann fingen seine Augen wieder an zu leuchten:
„Mann, Mann, Mann, weißt du, was das alles für uns bedeutet?“ strahlte er mich an. „Nächste Woche ist diese Party...!“
„Ja, Gott, stimmt, die Party“, sagte ich, nicht ganz so begeistert wie er, angesichts meiner Figur und der fahlen Haut. „Kann man da lang tragen?“
„Lang tragen? Heißt das, du willst mit?“
„Heißt das, du willst alleine gehen?“
„Hatte ich vor!“ sagte er ungeschminkt. „Du hast doch so viel gearbeitet die letzten Tage...“ und, als ob er sich endlich an seine Hand in meinem Hosenbund erinnerte, begann er, sie zu bewegen. „...und brauchst ein bisschen Ruhe... da dachte ich, du hast vielleicht keine Lust...“
Ich schwieg darauf. J schwieg auch, erneut in seine Gedanken vertieft. Seine Hand ruhte.
„Meine Fresse“, juchzte er dann und zog sie zurück. „... da lerne ich jede Menge interessanter Leute kennen... und ich kann wieder jede Menge Aufträge reinscheffeln... das Geld wird nur so fließen! Das ist so super! Ich hab’s ja schon immer gesagt: Nimm dir ein Ziel vor und stürm darauf los – dann erreichst du es sicher! Nichts anderes ist entscheidend! Das ist so geil, wenn man da landet, wo man hinwollte!“
Ich schwieg auch darauf. Eigentlich hatte er doch Recht. Nimm dir ein Ziel vor und erreiche es. Schaff dir dieses Glücksmoment. Ich hatte mir das Ziel gesetzt, einen schönen Film für Krone zu machen, nochmal so was zu erleben wie bei Kropp – und hatte es erreicht. Wo war die Freude? Ich erinnerte mich an die innige Umarmung mit Rob – das hatte sich gut angefühlt... an die anerkennenden Augen von Zehngold... das war wunderbar gewesen. Die unsägliche Erleichterung nach dem Nachlassen der Spannung, dem Begreifen, gute Arbeit geliefert zu haben. Es verursachte ein warmes Gefühl in mir drin und zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht. Aber dieses überschäumende von J – das fühlte ich nicht. Der hatte inzwischen das Radio laut aufgedreht, Michael Jackson lief mit „Don’t stop, till you get enough“ und er wippte wie verrückt auf dem Sitz im Takt auf und ab, reckte die Faust nach oben, sang mit und schrie:
„Morgen kauf ich mir ein neues Auto! Und du kriegst eine Gehaltserhöhung! Oh, ich bin so glücklich!“
Er war es wirklich – er war in diesem Moment vollkommen glücklich. Und ich gebe zu: Ich beneidete ihn darum.
Ich gebe auch zu, ich war es nicht. Aber vielleicht war ich nur zu müde dafür.
Durcheinander
Nach diesem Event überschlugen sich die Ereignisse – für mich jedenfalls. Wenn ich an diese Zeit zurückdenke, finde ich nur ein wirres Knäuel undefinierter Gefühle und Gedanken, habe ich Mühe zu eruieren, was als erstes und als nächstes geschah.
Unser Team feierte zunächst in
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