Tropfen im Ozean
war ganz passabel. Außerdem hatte ich Herrn Zehngold angerufen und mich für die Einladung bedankt.
„Sie kommen?“ hatte er in seiner so vornehmen Art gefragt. Bildete ich mir das ein oder lag Verwunderung in seiner Stimme?
„Aber natürlich“, antwortete ich. „Nachdem Sie mich so nett eingeladen haben! Sagen Sie, kann man da lang tragen?“
„Aber sicher, tragen Sie, was Sie wollen – aber... ich möchte doch betonen, dass...hmhm...“ er räusperte sich vernehmlich. „... dass die Party von einem Freund von mir ausgerichtet wird, jemandem, mit dem ich Sie gerne bekannt machen möchte... und der einen etwas anderen Stil fährt als ich... um es kurz zu machen: Es ist verrückt. Dort ist alles erlaubt. Kurz, lang, midi... was Sie mögen.“
„Aber man ist nicht overdressed mit einem Abendkleid?“
„Ganz sicher nicht.“
So saß ich in einer langen blauseidenen Robe, die J mit keinem Wort kommentierte, die aber die verhassten Hüften verbarg, neben einem im Smoking hinreißend aussehenden J. Weder meine Frisur, noch das Kleid, noch überhaupt etwas an meiner Erscheinung hatten ihm eine Bemerkung entlockt. J machte kein Hehl daraus, dass er mich lieber bei der Arbeit gesehen hätte.
„Der Künstler wartet immer noch auf seinen Film“, nörgelte er. „Und wir haben noch mindestens fünfzehn weitere Kunden auf der Liste“.
„Ja, gut, aber ein bisschen Kontaktpflege ist doch immer hilfreich“, erwiderte ich.
„Kontaktpflege? Hallo? Unsere Arbeitsteilung ist doch klar“, antwortete J. „Ich hole die Kontakte, du machst den Rest“.
„Aber Herr Zehngold hat mich persönlich eingeladen. Es wäre unhöflich, nicht dabei zu sein – und seinen Film hab ich gemacht.“
J schwieg dazu, während ich andere Gedanken im Kopf hatte. Nervös knetete ich meine Hände. Ich wollte J wegen der Sache zur Rede stellen und kam mir tatsächlich doof dabei vor. Unsere Beziehung war so seicht, dass ich es nicht wagte, auch nur irgendeinen Anspruch auf ihn geltend zu machen. Tief holte ich Luft.
„Hör mal J, da war so ne Brünette bei uns im Büro, die behauptet hat, ihr Handy sei unter deinem Bett... was hat das zu bedeuten?“
„Eine Brünette? Im Büro?“ Fassungslos sah er mich an. „Wer soll das denn gewesen sein?“
„Keine Ahnung“, sagte ich bockig. „Sie sagte, ihr Handy sei unter deinem Bett. J, betrügst du mich?“
„Ihr Handy... unter meinem Bett? Sag mal, geht’s noch? Wie hat die denn ausgesehen?“
„Hab ich doch gesagt. Hübsch. Sehr hübsch sogar. Lange Beine. Großer Busen. Genau dein Beuteschema“.
„Kenn ich nicht“.
„Aber sie kennt dich.“
„Ach, Quatsch, das ist nur so eine Schlampe, die zum Film will, und meint, sie müsste in unserem Büro ihre Schauspielkünste vorführen. Wenn die noch einmal kommt, wirf sie raus!“
„Ist das dein Ernst?“
„Mein voller! Was bildet sich diese Kuh bloß ein? Dieses Luder!“
„Sag mal, kennst du sie doch?“ fragte ich misstrauisch.
J biss sich auf die Lippen. Dann sah er kurz zu mir hinüber. Auf die Fahrbahn. Wieder zu mir. Nahm meine Hand.
„Hör mal“, sagte er. „Das kann jetzt öfter passieren. Wir sind wer. JC ist ein Markenname geworden. Es wird sich nicht vermeiden lassen, dass wir auch die Schattenseiten kennenlernen und mit solchen Verrückten konfrontiert werden. Leute, die meinen, sie marschieren hier rein und werden auf der Stelle engagiert!“
Er starrte aus dem Fenster, wütend, seine Kiefer mahlten heftig. „So eine Schlampe!“ presste er zwischen den Zähnen hervor.
Ich sagte nichts weiter. In letzter Zeit benutzte er immer öfter deftige Ausdrücke. Gut, er war auch vorher nicht gerade das, was man einen feinfühligen Menschen nennen konnte, aber bisher war er vorwiegend witzig und unbeschwert gewesen. Er griff zu der obligatorischen Redbull-Prosecco-Dose neben sich und nahm einen tiefen Schluck. Dann sah er wieder zu mir, drückte kurz meine Hand, presste die Kiefer zusammen:
„Und du weißt, wenn wir auf der Party sind... „ setzte er an.
„Ja, ich weiß“, sagte ich resigniert „Wir sind nicht zusammen“.
„Ich geh vor, komm du erst in zehn Minuten nach... oder besser zwanzig“.
Er wirkte nervös und auf einmal verspürte ich noch nicht einmal mehr Lust, auch nur aus diesem Auto auszusteigen, geschweige denn, auf diese verflixte Party zu gehen. Ich verfluchte mich, dass ich mitgefahren war. Aber für Reue war es zu spät. J fuhr in die Tiefgarage. Schon an der Schranke
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