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... trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager (German Edition)

... trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager (German Edition)

Titel: ... trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor E. Frankl
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Konzentrationslager kennzeichnen ließe als eine »provisorische Existenz«, dann haben wir sonach diese Charakterisierung insofern zu ergänzen, als wir sagen: die Existenz des Häftlings in Konzentrationslagern läßt sich definieren als »Provisorium ohne Termin«!
    Wenn die Neueingelieferten in einem Lager ankamen, dann wußten sie gewöhnlich nichts Rechtes über die dort waltenden Zustände. Die Zurückgekehrten mußten schweigen, und von gewissen Lagern war noch niemand zurückgekehrt... Mit dem Betreten des Lagers jedoch wandelte sich die innere Szenerie: mit dem Ende der Ungewißheit kam auch schon – die Ungewißheit des Endes. Es war nicht abzusehen, ob überhaupt und, wenn ja, wann diese Daseinsform ihr Ende finden würde.
    Das lateinische Wort »finis« hat bekanntlich zwei Bedeutungen: Ende – und Ziel. Ein Mensch nun, der nicht das Ende einer (provisorischen) Daseinsform abzusehen imstande ist, vermag auch nicht, auf ein Ziel hin zu leben. Er kann nicht mehr, wie der Mensch im normalen Dasein, auf die Zukunft hin existieren. Dadurch aber verändert sich die gesamte Struktur seines Innenlebens. Es kommt zu inneren Verfallserscheinungen, wie wir sie von andern Lebensgebieten her bereits kennen. In einer ähnlichen psychologischen Situation befindet sich nämlich z.B. der Arbeitslose; auch seine Existenz ist eine provisorische geworden und auch er kann in gewissem Sinne nicht auf die Zukunft hin, auf ein Ziel in dieser Zukunft hin leben. Aus psychologischen Reihenuntersuchungen an arbeitslosen Bergarbeitern hat man die Einwirkungen dieser deformierten Existenzform auf das Zeiterleben, auf die »innere Zeit« oder »Erlebniszeit«, wie man das psychologisch nennt, einer genauen Untersuchung zu unterziehen Gelegenheit gehabt.
    Im Lager war es nun so: Ein kleiner Zeitabschnitt, etwa der Tag – ausgefüllt mit den stündlichen Schikanen -, schien schier endlos zu dauern; ein größerer Zeitabschnitt jedoch, etwa die Woche – mit dem täglichen Einerlei -, schien unheimlich rasch zu vergehen. Und meine Kameraden gaben mir immer recht, wenn ich sagte: Im Lager dauert ein Tag länger als eine Woche! So paradox war dieses unheimliche Zeiterleben.
    In diesem Zusammenhang wäre übrigens auch an die treffenden psychologischen Bemerkungen zu erinnern, die sich etwa in Thomas Manns Roman »Der Zauberberg« finden, wo die seelische Entwicklung von Menschen geschildert wird, die sich in einer analogen psychologischen Situation befinden: tuberkulöse Sanatoriumsinsassen, die ebenfalls keinen Entlassungstermin kennen und in einer ebenso »zukunftslosen«, nicht auf ein zukünftiges Ziel hin ausgerichteten Existenz dahinleben wie die hier in Frage stehenden Menschentypen, die Insassen von Konzentrationslagern.
    Einer der Lagerhäftlinge, der seinerzeit in einer langen Kolonne von neu zugehenden künftigen Insassen vom Bahnhof zum Konzentrationslager dahinmarschiert war, berichtete mir später einmal, er hätte das Gefühl gehabt, als ob er »hinter seiner eigenen Leiche« herzöge. So intensiv erlebte er damals seine absolute Zukunftslosigkeit, die ihn zwang, sein ganzes Leben lediglich unter dem Gesichtspunkt der Vergangenheit zu betrachten, als etwas Vergangenes anzusehen – wie das eines Toten. Aber dieses Erlebnis, »lebender Leichnam« zu sein, wird noch durch anderweitige Momente vertieft. Während in der Zeit die Unbegrenztheit der Haftdauer sich fühlbar macht, macht sich im Raum die Begrenztheit, das Eingesperrtsein fühlbar: Was außerhalb des Stacheldrahts liegt, erscheint alsbald unnahbar, unzugänglich und schließlich irgendwie unwirklich. Die Vorgänge da draußen ebenso wie die Menschen außerhalb des Lagers, alles normale Leben dort draußen wirkt auf den im Lager befindlichen irgendwie gespenstisch. Soweit er einen Blick hinaus tun kann, erscheint ihm das Leben dort so, wie es einem Verstorbenen erscheinen mag, der vom »Jenseits« her auf die Welt herabblickt. Der normalen Welt gegenüber muß daher der Häftling mit der Zeit das Gefühl bekommen, als ob er dieser »Welt abhanden gekommen« wäre.
    Die innere Lebensform im Konzentrationslager wird so für den Menschen, der sich menschlich fallen läßt, weil er keinen Halt mehr an einem Zielpunkt in der Zukunft findet, zu einer retrospektiven Daseinsweise. Von ihr, von der Tendenz zur Rückwendung auf die Vergangenheit, haben wir in anderem Zusammenhang bereits gesprochen. Sie dient der Entwertung der Gegenwart, samt deren Schrecken. Die Entwertung

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