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Trübe Wasser sind kalt

Trübe Wasser sind kalt

Titel: Trübe Wasser sind kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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aber als erstes sollten wir ein Tuch auf den Tisch legen«, sagte ich.
    Dannys Fall hatte die Nummer ME-3096, was bedeutete, daß er der dreißigste Fall im neuen Jahr in Virginia war. Nach stundenlanger Auskühlung war er nicht sehr kooperativ, und als wir ihn auf den Tisch hoben, polterten Arme und Beine laut auf den Edelstahl, als protestierte er gegen das, was wir mit ihm vorhatten. Wir entfernten die schmutzige, blutige Kleidung. Die Arme wollten nicht aus den Ärmeln, und die enge Jeans war widerspenstig. Ich steckte die Hand in die Taschen und brachte siebenundzwanzig Cents, eine Lippenpomade und einen Schlüsselbund zum Vorschein.
    »Das ist sonderbar«, sagte ich, als wir die Kleidungsstücke falteten und sie auf der mit einem Wegwerftuch belegten Bahre stapelten. »Was ist mit meinem Autoschlüssel passiert?«
    »War es einer mit Fernbedienung?«
    »Ja, genau.« Der Klettverschluß knirschte, als ich di e Knieschiene entfernte.
    »Und offenkundig befand er sich nirgendwo am Tatort.«
    »Wir haben ihn nicht gefunden. Und da er nicht in de r Zündung steckte, nahm ich an, Danny hätte ihn.« Ich zog ihm die dicken Sportsocken aus.
    »Naja, ich schätze, der Mörder hat ihn an sich genommen, oder er könnte verlorengegangen sein.«
    Ich dachte an den Hubschrauber, der noch größeres Unheil angerichtet hatte. Ich hatte auch gehört, daß Marino in die Nachrichten gekommen war. Er ballte vor aller Welt deutlich die Faust und brüllte etwas, und ich war auch zu sehen. »Okay, er ist tätowiert.« Fielding griff sich das Klemmbrett. Danny hatte ein Würfelpaar auf die Oberseite der Füße tätowiert.
    »Schlangenaugen«, sagte Fielding. »Das muß wehgetan haben.« Ich entdeckte eine schwache Narbe von einer Blinddarmoperation und eine weitere alte Vernarbung an Dannys linkem Knie, die von einem Unfall in seiner Kindheit herrühren mochte. Auf dem rechten Knie waren die Narben von dem erst kürzlich erfolgten arthroskopischen Eingriff violett, die Muskeln in diesem Bein zeigten eine geringfügige Atrophie. Ich nahm Proben von Fingernägeln und Haaren und sah auf einen Blick, daß nichts auf einen Kampf hinwies. Nichts deutete darauf hin, daß er Widerstand geleistet hatte, als ihn eine unbekannte Person vor dem Hill Café angesprochen und er die Tüte mit den Essensresten hatte fallen lassen. »Drehen wir ihn um«, sagte ich.
    Fielding hielt die Beine, während ich die Arme unterfaßte. Wir legten ihn auf den Bauch. Ich untersuchte seinen Hinterkopf mit einem Vergrößerungsglas und einer starken Lampe. In dem langen dunklen Haar klebten verkrustetes Blut und Unrat. Ich tastete den Schädel noch weiter ab.
    »Ich muß das hier rasieren, um sicher zu sein. Aber es sieht so aus, als hätten wir es mit einer Verwundung hinter dem rechten Ohr durch einen aufgesetzten Schuß zu tun. Wo sind seine Filme?«
    »Die sollten fertig sein.« Fielding sah sich um. »Wir müssen das rekonstruieren.«
    »Scheiße.« Er half mir dabei, eine tiefe, sternförmige Wunde zusammenzuhalten, die wegen ihrer Größe eher wie eine Austrittsöffnung aussah.
    »Das ist definitiv ein Einschußloch« verkündete ich, als ich mit der Skalpellschneide den Schädelbereich rasiert hatte. »Schauen Sie, hier ist sogar ein schwacher Mündungsabdruck. Sehr schwach. Genau da.« Ich zeichnete ihn mit dem behandschuhten, blutigen Finger nach. »Das sieht verheerend aus. Beinahe wie von einer Flinte.«
    »Fünfundvierziger?«
    »Das Loch ist einen Zentimeter groß«, sagte ich mehr zu mir selbst, während ich das Lineal benutzte. »Ja, das paßt eindeutig zu einer Fünfundvierziger.«
    Ich entfernte gerade nach und nach die Schädeldecke, um mir das Hirn anzusehen, als ein Autopsietechniker auftauchte und Filme auf einen Leuchttisch knallte. Die glänzendweiße Kugel steckte im frontalen Sinus, sieben Zentimeter von der Schädeldecke entfernt.
    »Mein Gott«, flüsterte ich, während ich sie mir ansah. »Was zum Teufel ist das?« fragte Fielding. Wir beide verließen den Tisch, um dichter ranzugehen.
    Die verformte Kugel war groß und hatte scharfe, wie Klauen zurückgebogene Ausfransungen.
    »Sieht nicht so aus wie Hydra-Shok«, sagte mein Stellvertreter. »Nein. Das ist irgendeine spezielle, hochwirksame Munition.«
    »Vielleicht Starfire oder Golden Sabre?«
    »Etwas in der Art, ja«, antwortete ich. Solche Munition hatte ich noch nie im Leichenschauhaus gesehen. »Aber ich denke, es war Black Talon, weil die Patronenhülse weder von PMC noch von

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