Trübe Wasser sind kalt
einen Sessel. »Wie ist dein Auto hergekommen?«
Sie hatte ihre Brille auf und las irgendein FBI-Handbuch. »Dein Auftragsdienst hat angerufen«, sagte sie. »Der Typ, der mein Auto gefahren hat, rief in deinem Büro in der Innenstadt an, und dein Assistent ist nicht aufgetaucht. Wie heißt er, Danny? Und so ruft der Typ in meinem Wagen an, und dann klingelt hier das Telefon. Ich hab ihn zum Wachhäuschen bestellt und ihn dort getroffen.«
»Aber was ist passiert?« fragte ich wieder. »Ich weiß nicht einmal seinen Namen. Es sollte ein Bekannter von Danny sein. Danny hat meinen Wagen gefahren. Sie sollten beide Fahrzeuge hinter meinem Büro abstellen.« Ich hielt inne und starrte einfach vor mich hin. »Lucy, hast du eine Ahnung, was hier vorgeht? Weißt du, warum ich so spät nach Hause komme?« Sie griff nach der Fernbedienung und stellte den Fernseher ab. »Ich weiß nur, daß du zu einem Fall gerufen wurdest. Das hast du mir direkt, bevor du los bist, gesagt.«
Und so erzählte ich es ihr. Ich erzählte ihr, wer Danny war, daß er ermordet worden war, und erklärte die Sache mit meinem Auto. Ich berichtete ihr jedes Detail.
»Lucy, hast du eine Ahnung, wer der Mensch war, der dein Auto abgeliefert hat?« sagte ich darauf.
»Ich weiß nicht.« Sie hatte sich aufgesetzt. »So ein hispanischer Typ namens Rick. Er trug einen Ohrring, hatte kurze Haare und sah vielleicht wie zweiundzwanzig, dreiundzwanzig aus. Er war sehr höflich, nett.«
»Wo ist er jetzt?« sagte ich. »Du hast doch nicht bloß dein Auto von ihm in Empfang genommen.«
»Oh nein. Ich hab ihn zum Busbahnhof gefahren, nachdem mir George den Weg dorthin erklärt hat.«
»George?«
»Der Typ, der um die Zeit Wachdienst hatte, am Tor. Ich schätze, es muß kurz vor neun gewesen sein.«
»Dann ist Rick zurück nach Norfolk.«
»Ich weiß nicht, was er gemacht hat«, sagte sie. »Er hat mir auf der Fahrt erzählt, Danny würde sicher noch aufkreuzen. Er hat wahrscheinlich keine Ahnung.«
»Mein Gott. Hoffen wir, daß er es noch nicht in den Nachrichten gehört hat. Hoffen wir, daß er nicht dort war«, sagte ich. Der Gedanke, daß Lucy mit diesem Fremden allein in ihrem Auto gewesen war, erfüllte mich mit Entsetzen. Vor meinem geistigen Auge sah ich Dannys Kopf, und ich fühlte zerschmetterte Knochen unter den blutverschmierten Handschuhen. »Ist Rick ein Verdächtiger?« Sie war überrascht. »Im Augenblick ist so gut wie jeder verdächtig.«
Ich nahm das Telefon an der Bar ab. Marino war auch eben erst heimgekommen, und bevor ich etwas sagen konnte, fing er an. »Wir haben die Patronenhülse gefunden.«
»Gut«, sagte ich erleichtert. »Wo?«
»Wenn du auf der Straße mit Blick zum Tunnel stehst, dann war es in einem Gestrüpp etwa drei Meter rechts vom Pfad, wo die Blutspuren begannen.«
»Also rechts ausgeworfen«, sagte ich.
»Muß so sein, es sei denn, sowohl Danny wie sein Mörder sind rückwärts den Hang hinuntergegangen. Und dieses Arschloch hat es ernst gemeint. Er hat mit einer Fünfundvierziger geschossen. Mit Winchester-Munition.«
»Overkill«, sagte ich.
»Da hast du recht. Jemand wollte absolut sichergehen, daß er tot ist.«
»Marino«, sagte ich, »Lucy hat Dannys Freund heute abend getroffen.«
»Du meinst den Typ, der ihr Auto gefahren hat?«
»Ja«, und ich erzählte, was ich wußte.
»Vielleicht ergibt das ein bißchen mehr Sinn«, sagte er. »Die beiden sind auf der Straße getrennt worden, aber Danny machte es nichts aus, weil er seinem Kumpel Wegbeschreibung und Telefonnummer gegeben hat.«
»Kann jemand herausfinden, wer Rick ist, bevor er verschwindet? Ihn vielleicht beim Aussteigen aus dem Bus abfangen?« fragte ich.
»Ich werde das Revier in Norfolk anrufen. Da muß ich sowieso hin, weil jemand zu Danny nach Hause gehen und seine Familie benachrichtigen muß, bevor sie es aus den Medien erfahren.«
»Seine Familie wohnt in Chesapeake«, teilte ich ihm die schlechte Nachricht mit und wußte, ich würde auch mit ihnen reden müssen. »Scheiße«, sagte Marino.
»Sprich nicht mit Detective Roche darüber, denn ich will nicht, daß er in die Nähe von Dannys Eltern kommt.«
»Keine Bange. Und du solltest besser Dr. Mant zu erreichen versuchen.«
Ich wählte die Nummer seiner Mutter in London, aber niemand hob ab, und so hinterließ ich eine dringende Nachricht. Ich hatte so viele Anrufe zu machen und fühlte mich ausgelaugt. Ich setzte mich neben Lucy auf die Couch. »Wie geht es dir?« sagte
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