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Trügerische Ruhe

Trügerische Ruhe

Titel: Trügerische Ruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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sich ebenfalls aufgerappelt; Lincoln sah seine Silhouette vor dem Fenster. Er hielt Lincolns Pistole in der Hand. Jetzt schwenkte er sie herum und richtete die Mündung direkt auf Lincoln.
    Die Explosion war so stark, daß sie das Fenster zerschmetterte. Ein Regen von Glassplittern ergoß sich auf die Veranda.
    Keine Schmerzen. Warum empfand er keine Schmerzen?
    Starr vor Verblüffung sah Lincoln zu, wie J. D. Reid im Schein des Mondes, der durch das zerbrochene Fenster fiel, langsam zu Boden sackte. Hinter ihm knarrte eine Diele, und er hörte Eddies zitternde Stimme: »Habe ich ihn getötet?«
    »Wir brauchen Licht«, sagte Lincoln.
    Er hörte, wie Eddie durch den dunklen Flur in die Küche stolperte und die Kellertreppe hinunterlief. Sekunden später legte er die Sicherungsschalter um, und alle Lichter gingen an.
    Lincoln warf einen Blick auf J. D. und wußte, daß er tot war.
    Eddie kam aus der Küche zurück. In der Hand hielt er immer noch Jack Reids Schrotflinte. Er verlangsamte seinen Schritt, blieb neben seiner Stiefmutter stehen. Beide konnten den Blick nicht von dem toten Jungen wenden; keiner von beiden brachte einen Ton hervor. Der furchtbare Anblick von J. D., wie er zusammengesunken in einer Blutlache vor ihnen lag, brannte sich für immer in ihre Erinnerung ein.
    »Amelia«, sagte Lincoln, und er blickte zum Obergeschoß hoch. »Welches ist ihr Schlafzimmer?«
    Eddie sah ihn benommen an. »Das zweite. Auf der rechten Seite ...«
    Lincoln lief die Treppe hoch. Er erblickte Amelias Zimmertür, und ihm war gleich klar, daß das Schlimmste bereits geschehen war. Die Tür war eingeschlagen worden, und der Boden des Flurs war mit Holzsplittern übersät. Das Mädchen mußte versucht haben, J.D. auszusperren, doch ein paar Axtschläge hatten genügt, um das Holz zu zersplittern. Er fürchtete den Anblick, der ihm bevorstand, als er in das Zimmer trat.
    Er sah die Axt; sie steckte in einem Stuhl und hatte ihn fast in zwei Teile gespalten. Er sah den zersprungenen Spiegel, die zerrissenen Kleider, die Schranktür, die schief an einer Angel hing. Dann starrte er auf das Bett des Mädchens.
    Es war leer.
    Mitchell Groome saß am Steuer von Claire Elliots Subaru und fuhr langsam die Straße von Beech Hill hinunter ins Tal. Er hatte bis Mitternacht gewartet, einer Zeit, zu der keine Zeugen wach sein würden, aber unglücklicherweise war der Himmel klar, und der Schnee reflektierte das Licht des Vollmondes mit erschreckender Helligkeit. Er hatte das Gefühl, sämtlichen Blicken ungeschützt ausgesetzt zu sein. Doch ob Vollmond oder nicht, er mußte diese Sache heute nacht hinter sich bringen. Zuviel war bereits schiefgegangen, und er hatte drastischere Maßnahmen ergreifen müssen, als er ursprünglich geplant hatte.
    Zuerst war es ein ganz einfacher Auftrag gewesen; er sollte Dr. Tutwilers Arbeit im Auge behalten und, indem er sich als neugieriger Journalist ausgab, diskret und unauffällig den Verlauf der Parasiteninfektion unter den Jugendlichen von Tranquility beobachten. Da war ihm Claire Elliot in die Quere gekommen, deren Mutmaßungen der Wahrheit gefährlich nahe gekommen waren. Und dann hatte Doreen Kelly für eine noch ernstere Komplikation gesorgt.
    Er würde mit Sicherheit eine Menge erklären müssen, wenn er wieder in Boston war.
    Er hatte keine Zweifel, daß er für Max Tutwilers Verschwinden eine vernünftige Erklärung finden würde. Er konnte seinen Vorgesetzten bei Anson Biologicals kaum erzählen, was tatsächlich passiert war: daß Max nämlich hatte aussteigen wollen, nachdem er gehört hatte, wie Doreen Kelly wirklich gestorben war. Ich bin engagiert worden, um für euch Würmer zu finden, hatte Max protestiert. Bei Anson hat man mir erzählt, daß es bloß um eine Art biologische Schatzsuche ginge. Niemand hat etwas von Mord gesagt. Und wofür das Ganze? Um aus dieser Spezies ein Firmengeheimnis zu machen?
    Was Max nicht hatte einsehen wollen, war die Tatsache, daß die Entwicklung eines neuen Medikaments wie eine Goldsuche war. Geheimhaltung hatte höchste Priorität. Man darf die Konkurrenz nicht wissen lassen, daß man kurz davor ist, einen Schatz zu entdecken.
    In diesem Fall war der Schatz ein Hormon, das von einer einzigartigen Spezies von Wirbellosen produziert wurde; ein Hormon, dessen spezifische Wirkung in der Steigerung der Aggressivität bestand. Eine winzige Dosis genügte, um den Kampfgeist eines Soldaten in der Schlacht entscheidend zu stärken. Es war ein Killertrank von

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