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Trügerisches Bild: Ein Auftrag für Spenser

Trügerisches Bild: Ein Auftrag für Spenser

Titel: Trügerisches Bild: Ein Auftrag für Spenser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert B. Parker
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Spensers Tipps für Verbrecherjäger Nr. 5: Wenn du nichts anderes zu tun hast, verfolge jemanden.
    Ich fuhr raus zur Walford und bezog vor Missy Minors Wohnheim Posten. Es war kurz vor elf. Viele Studenten vermieden Kurse, die so früh am Tag stattfanden. Manche vermieden Kurse sogar grundsätzlich, meine ich mich zu erinnern. Aber in den meisten Fällen tauchten sie in der Stunde vor der Mittagspause allmählich auf.
    Ungefähr um halb zwei war Missy Minor bereit, sich dem Tag zu stellen. Sie trug wieder ihren Mantel mit Fleece-Besatz. Dazu wieder sehr enge schwarze Jeans, wenn auch vielleicht nicht dieselben. Heute steckten die Hosenbeine in Ugg Boots. Auf dem Kopf trug sie eine weiße Strickmütze mit einem großen weißen Bommel obendrauf. Die Mütze war sorgfältig über die Ohren gezogen, so dass die blonden Haare ihr Gesicht einrahmten. Warm, aber schick. Sie hatte keine Bücher dabei, als sie quer über den Campus stapfte und ich ihr unauffällig folgte. Sie betrat die Bibliothek und ging in den großen Lesesaal im ersten Stock. Zielstrebig ging sie zu einem Tisch und setzte sich einem Mann in einem marine-blauen Caban gegenüber. Ansonsten waren alle Plätze an dem Tisch frei.
    Mit den Händen in den Taschen und mit gebeugtem Kopf ging ich zum hinteren Ende des Lesesaals, wo Zeitungen auslagen, schnappte mir eine New York Times, schlug sie auf, setzte mich dahinter versteckt in einen Sessel und spähte um sie herum.
    Der Mann in dem Caban sah nicht gerade wie ein Student aus. Was nicht schlimm war. Ich ja auch nicht. Vielleicht war er ein älterer Student. Er schien Mitte vierzig zu sein, mit einem stumpfen, ausdruckslosen Gesicht und kurzen blonden Haaren. Irgendetwas an ihm erinnerte mich an die Sorte Männer, mit der ich in meiner Branche manchmal zu tun hatte. Aber das war nur ein vager Eindruck, und nach allem, was ich wusste, konnte er hier ebenso gut den englischen Roman des 18. Jahrhunderts lehren.
    Sie beugten sich über den Tisch, die Gesichter nahe beieinander, und redeten. Es sah nach Liebesbeziehung aus, auch wenn sie einander nicht berührten. Ein intensives Gespräch, bei dem sie lebhaft war und er beinahe bewegungslos, nur dass er mit dem Zeigefinger auf den Tisch klopfte. Sie redeten vielleicht fünfzehn Minuten miteinander. Dann lehnte sie sich leicht zurück, als ob sie gleich aufstehen wollte. Er legte seine rechte Hand auf ihren Unterarm und hielt sie zurück.
    Sie redeten noch ein paar Minuten länger. Jetzt meistens er. Sie nickte mehrmals. Und sie schien sich ein bisschen gegen den Griff seiner Hand zu wehren. Als er sie losließ, stand sie auf und ging. Von meiner Position aus konnte ich ihr Gesicht nicht sehen. Der Mann sah ihr nach, während sie den Lesesaal durchquerte und über den Gang zur Treppe nach unten ging. Als sie außer Sicht war, saß er noch eine Weile ruhig da, starrte ins Leere und rieb sich langsam mit dem Handrücken das Kinn.
    Ich blieb hinter meiner Zeitung und wartete. Nach einer Weile hörte er auf, sich das Kinn zu reiben, stand auf und verließ den Lesesaal. Ich gab ihm einen Moment, dann steckte ich die Zeitung in den Ständer zurück und folgte ihm ohne Eile. Als ich bei der Treppe ankam, hatte er sie gerade hinter sich gebracht. Ich wartete, bis er durch die große Eingangshalle zur Tür gegangen war, dann ging ich runter. Er hatte keinen Grund anzunehmen, dass er verfolgt wurde, also hatte er auch keinen Grund, irgendwelche Tricks zu versuchen. Und er wurde natürlich von einem Ass beschattet. Ich folgte ihm.
    Auf den breiten Treppenstufen vor der Bücherei blieb ich stehen und atmete die frische Luft ein. Bibliotheken gaben mir immer das Gefühl, zu lange in geschlossenen Räumen gewesen zu sein. Ich sah meinen Mann auf der anderen Straßenseite; er hielt auf einen Parkplatz zu. Ich spazierte ihm nach. Er stieg in einen Toyota 4Runner und setzte zurück. Ich speicherte seine Autonummer in meinem eisernen Gedächtnis, und sobald er außer Sicht war, zog ich einen kleinen Notizblock heraus und schrieb sie auf. Gerade noch rechtzeitig, bevor ich sie wieder vergaß.

31
    Der 4Runner war auf Morton Lloyd zugelassen, mit einer Anschrift in Chestnut Hill. Morton Lloyd hieß auch der Anwalt, mit dem Prince der Walford-Universität gedroht hatte. Er war zugleich der Anwalt, der das Hammond Museum vertrat, und durch seine Empfehlung war Prince zum Unterhändler für die Wiederbeschaffung des Bildes geworden. Unwahrscheinliche Vorstellung, dass zwei Morton Lloyds

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