Trügerisches Spiel (German Edition)
verzog den Mund. Kein Wunder, dass sie zu dünn war, wenn sie es nicht einmal schaffte, ihren Kühlschrank ordentlich zu füllen. Was mehr an ihrer Abneigung lag, in den Supermarkt zu gehen, als am Geldmangel. Ein Schauder lief über ihren Rücken, als sie an die engen Gänge zwischen den Regalen dachte, die regelmäßig von tratschenden Leuten blockiert wurden. Schnell hatte sie sich angewöhnt, zu bestimmten Zeiten einkaufen zu gehen, wenn am wenigsten los war, nur war sie dazu in den letzten Wochen kaum noch gekommen. Entweder arbeitete sie oder sie verkroch sich in ihrem Haus.
Morgen würde sie einkaufen gehen, entschied sie und war erstaunt, wie gut sie sich dabei fühlte. Entschlossen schob sie das Kinn vor. Diese Verbrecher würden sie nicht dazu bringen, dass sie sich selbst zu Tode hungerte und ihnen die Arbeit abnahm! Jocelyn nahm sich einen Rest Käse und die letzten Scheiben Toast aus dem Kühlschrank und schubste die Tür mit der Hüfte zu. Als sie sich umdrehte, stand ein Mann vor ihr, der Lauf einer Pistole zielte direkt auf ihr Gesicht. In der anderen Hand hielt er ihren Baseballschläger. Sie erstarrte.
»Hallo Kleine.« Sein Mund verzog sich zu einem Grinsen. »Überrascht?«
Mit einem erschrockenen Aufschrei warf Jocelyn ihm die Nahrungsmittel an den Kopf. Instinktiv duckte er sich und gab ihr damit die Möglichkeit zur Flucht. Ohne weiter darüber nachzudenken, wie gering ihre Überlebenschancen waren, wirbelte sie herum und rannte los. Hinter sich konnte sie einen gedämpften Fluch hören und dann ein leises Ploppen. Etwas schlug direkt neben ihrem Körper in den Türrahmen, Holzsplitter streiften ihren Arm. Den Schmerz merkte sie kaum, sie konnte nur daran denken zu entkommen. Ihr Herz hämmerte in ihren Ohren, und sie hatte Mühe, etwas anderes als ihren lauten Atem wahrzunehmen. War er noch hinter ihr? Würde er ihr einfach in den Rücken schießen? Dumme Frage, natürlich würde er das! Angst drohte sie zu lähmen, doch Jocelyn kämpfte dagegen an. Wenn sie jetzt stehen blieb, war sie tot.
Also rannte sie den kurzen Flur hinunter und schlitterte um die Ecke in ihr Schlafzimmer, gerade als der Verbrecher erneut schoss. Etwas streifte ihren Nacken, doch sie ignorierte es und schlug die Tür hinter sich zu. Mit zitternden Fingern drehte sie den Schlüssel herum, aber sie wusste, dass das lächerliche Schloss den Mann nur wenige Sekunden aufhalten würde. Sie griff sich ihren Rucksack, der neben der Kommode stand, lief weiter zum Fenster und schob es auf. Schnell schwang sie ihre Beine hinaus und landete auf dem Rasen, der das Haus umgab. Jetzt erst kam ihr der Gedanke, dass der Verbrecher einen Komplizen haben könnte, der draußen auf sie wartete, aber es war zu spät, sie konnte nicht mehr zurück.
Ihre einzige Möglichkeit war, so schnell wie möglich von hier zu verschwinden. Vielleicht würde einer ihrer Nachbarn … Sowie der Gedanke durch ihren Kopf schoss, verwarf sie ihn schon wieder. Wenn dieser Kerl so war wie derjenige im Fahrstuhl, dann hatte er auch kein Problem damit, Unbeteiligte zu töten. Sie musste zur Polizei, nur befand sich die genau auf der anderen Seite des Ortes. Jocelyn tauchte in das brusthohe Gebüsch ein, das ihr Grundstück von dem ihrer Nachbarn trennte, und kauerte sich so klein wie möglich zusammen. Ihre Atemzüge klangen erschreckend laut, sicher konnte der Verbrecher sie hören! Vom Rascheln der sie umgebenden Blätter ganz zu schweigen.
Jocelyn erstarrte, als sie ihn aus ihrem Fenster klettern sah. Jetzt wirkte er beinahe noch gefährlicher, auch wenn er die Pistole an seinem Bein versteckte. Er war völlig harmlos in Jeans und T-Shirt gekleidet, seine Haut war gebräunt, die dunklen Locken glänzten in der Sonne. Gayles Worte fielen ihr wieder ein: ein rassiger Mann, der sich nach ihr erkundigt hatte. Oh Gott, er war in der Schule gewesen. Wenn er nun Gayle, den Schülern oder den anderen Lehrern etwas angetan hätte! Sie musste hier weg, sofort, bevor sie getötet wurde oder für den Tod eines anderen die Verantwortung trug. Nur wo sollte sie hin? Jeder, der ihr half, geriet selbst in Gefahr.
So leise wie möglich zog Jocelyn sich weiter in das Gebüsch zurück. Es war nur etwa anderthalb Meter hoch und nicht besonders tief, sodass sie viel zu schnell auf der Seite ihrer Nachbarn wieder herauskam. Sie konnte auf dieser Seite ein Stück entlanglaufen, aber irgendwann würde sie zwangsläufig ungeschütztes Gelände überqueren müssen. Weder auf der
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