Trügerisches Spiel (German Edition)
eingesteckt hatte. Als das endlich geklärt war und sie beinahe ins Zimmer fielen, was zu weiterem lautem Gelächter führte, atmete Jocelyn tief durch. Jetzt oder nie. Vorsichtig öffnete sie ihre Tür und blickte hinaus, bereit, sie jederzeit wieder zuzuschlagen. Es dauerte eine Weile, bevor sie sich nach draußen traute und den Weg zum Münztelefon einschlug, das an der Wand des Gebäudes in der Nähe der Rezeption hing. Der Schein der Straßenlampen, die den Parkplatz erhellten, reichte glücklicherweise nicht bis dorthin, sodass vermutlich niemand sie deutlich sehen konnte, während sie telefonierte.
Nach einem letzten prüfenden Blick eilte sie zum Telefon, warf ein paar Münzen ein und wählte dann die Option eines R-Gesprächs. Als Namen gab sie Leia Solo an, den der Marshal ihr genau für solch einen Fall als Passwort gegeben hatte. Es war seine Art von Humor gewesen, ihr den Namen von zwei Figuren aus Star Wars zu geben. Damals hatten sie nicht gedacht, dass sie ihn je brauchen würde. Doch es hatte gerade einmal zehn Monate gedauert, bis sie gefunden worden war. Jocelyn rieb über ihre schmerzenden Augen. Hoffentlich war Matthew überhaupt erreichbar.
Nach scheinbar unendlich langem Rauschen ertönte plötzlich eine Stimme. »Friedman.«
»Hier ist …« Jocelyn schluckte ihren Namen gerade noch herunter. »… Leia Solo. Ich brauche deine Hilfe.«
»Was ist passiert?«
Tränen stiegen in ihre Augen, als sie die Sorge in Matthews Stimme hörte. »Es … es war jemand hier, der mich … erschießen wollte. Ich konnte gerade noch … fliehen, aber er hat auf … meinen Nachbarn geschossen. Er ist mindestens schwer verletzt, vielleicht sogar … tot.«
»Verdammt! Wie konnte das passieren? Niemand weiß, wo du bist.«
Jocelyn wischte mit dem Arm über ihre Augen. »Anscheinend doch.«
Matthew atmete tief durch. »Okay, es ist ja nicht zu ändern. Du bist unverletzt?«
»Mehr oder weniger.« Die Kratzer an ihrem Arm und am Nacken hatte sie auf der Bahnhofstoilette versorgt. »Nichts Ernsthaftes, nur ein paar Kratzer.«
»Gut. Bist du jetzt in Sicherheit?«
Unruhig blickte Jocelyn sich um. »So sicher, wie ich ohne Schutz sein kann.«
»Okay. Sag mir, wo du bist, dann hole ich dich dort ab und bringe dich an einen sicheren Ort.« Sie hörte ein Rascheln. »Schieß los.«
»Ist das denn sicher?«
»Natürlich, die Leitung kann nicht abgehört werden, außerdem weiß ja niemand, wer du bist.«
Zögernd nannte Jocelyn ihm die Adresse und den Namen des Motels. »Komm bitte schnell, ich habe Angst.«
»Ich nehme den ersten Flieger, den ich kriegen kann. Schließ dich ein und mach niemandem auf.« Seine Stimme wurde wärmer. »Ich bin bald bei dir und sorge dafür, dass dir niemand etwas tun kann.«
»Danke.« Zögernd legte Jocelyn auf. Am liebsten hätte sie länger mit ihm gesprochen, doch dann würde er noch später kommen. Eilig kehrte sie in ihr Zimmer zurück, schloss die Tür ab und schob zur Sicherheit auch noch den einzigen Stuhl unter die Klinke. Das würde zwar einen Verbrecher nicht stoppen, aber wenigstens ein wenig aufhalten und vor allem Lärm machen.
Jocelyn setzte sich auf das Bett und schlang die Arme um ihren Oberkörper. Nachts war es kühl in Denver, erst recht in einem Raum mit Klimaanlage. Schließlich schlang sie die Bettdecke um ihre Schultern und schaltete den Fernseher an, damit es nicht so still war. Jedes Mal zuckte sie zusammen, wenn eine Tür knallte, ein Wagen vorfuhr oder Stimmen im Nachbarzimmer erklangen. Sie sprang durch die dank einer Satellitenschüssel unendlich vielen Programme, doch nichts konnte ihre Aufmerksamkeit fesseln, und die Unruhe blieb.
Schließlich landete sie bei einem regionalen Nachrichtensender des Mittleren Westens, der einen Bericht aus Mitchell, Nebraska, brachte. Als sie das Haus ihrer Nachbarn erkannte, zog sich ihr Magen schmerzhaft zusammen. Eine Reporterin stand mit ernstem Gesichtsausdruck davor und erzählte, wie es in dem bisher ruhigen Städtchen nach dem ersten dort seit etlichen Jahren verübten Kapitalverbrechen aussah.
»Die Einwohner sind erschüttert, dass einer von ihnen Opfer einer solch grausamen Tat wurde. Ralph Doherty wurde kaltblütig auf seiner Türschwelle angeschossen.«
Die Moderatorin im Studio schaltete sich ein. »Gibt es schon Erkenntnisse darüber, wie es dem Verletzten jetzt geht?«
»Soweit ich gehört habe, ist es immer noch kritisch. Die Ärzte hoffen, dass er die Nacht übersteht.«
Tränen traten in
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