Trügerisches Spiel (German Edition)
ohne ihm von ihrer Situation zu erzählen. Besonders nicht, wenn sie sogar bereit war, sein Kind zu bekommen. Jay rieb über seine Stirn. Außer, es war ein Unfall gewesen oder ihr Versuch, Nähe zu finden. Mitleid stieg in ihm auf. Er konnte sich nicht vorstellen, wie es sein musste, von allen Freunden und vor allem der eigenen Familie getrennt zu sein. Es war erstaunlich, dass Jocelyn überhaupt so lange durchgehalten hatte.
Anstatt weiterzugrübeln, sollte er lieber alles vorbereiten. Sein Gast wirkte, als würde sie viel Schlaf benötigen, und das möglichst bald. Jay holte ein Laken und frische Bettbezüge und bezog sein Bett neu. Eine Decke und ein Kissen warf er auf das Sofa, auf dem er es sich später gemütlich machen würde – soweit möglich, da es für seine Länge nicht ausgelegt war. Nach kurzem Zögern nahm er ein altes T-Shirt aus dem Schrank und legte es auf das Bett. Er wusste nicht, was Jocelyn in ihrem kleinen Rucksack dabeihatte, aber er vermutete, dass ein Nachthemd das Letzte war, woran sie bei ihrer Flucht gedacht hatte.
Als er damit fertig und Jocelyn immer noch nicht wiederaufgetaucht war, ging er in die Küche und stellte dort einen kleinen Snack zusammen, falls sie noch Hunger bekommen sollten. Da er nicht wusste, was Jocelyn mochte, stellte er alles zusammen mit dem Geschirr auf den kleinen Couchtisch. Der Saft war schlecht geworden, daher hatte er nur Wasser, Cola und Bier zur Auswahl. Es wurde eindeutig Zeit, dass er Lebensmittel einkaufte.
Als Jocelyn fünf Minuten später immer noch nicht aufgetaucht war, entschied Jay sich nachzusehen, ob es ihr gut ging. Mit schlechtem Gewissen hielt er sein Ohr an die Tür und lauschte, doch es war kein Ton zu hören. Seine Sorge verselbständigte sich. Was, wenn sie hingefallen war und sich verletzt hatte?
Er klopfte an die Tür. »Jocelyn, geht es Ihnen gut?«
Einen Moment lang herrschte Schweigen, dann kam ihre leise Antwort. »Ja. Ich komme gleich raus.«
Die Erleichterung war größer, als Jay erwartet hatte. Er lehnte sich an die Wand und schloss die Augen, während sich sein Herzschlag verlangsamte. Schließlich stieß er sich ab, kehrte ins Wohnzimmer zurück und setzte sich auf das Sofa. Rasch nahm er sich ein Bier und setzte die Flasche an die Lippen. Seine Kehle war wie ausgedörrt, und seine Nerven konnten eindeutig eine kleine Beruhigung vertragen. Sein Körper spannte sich an, als er hörte, wie der Schlüssel in der Badezimmertür gedreht wurde und sie aufsprang. Jay stellte die Flasche auf den Tisch und beugte sich vor, den Blick auf die Türöffnung gerichtet.
Jocelyn wirkte etwas frischer, ihr Gesicht war gerötet, einige Haare klebten feucht an ihrer Haut. Als sie die einladend aufgeschlagene Bettdecke sah, blieb sie abrupt stehen. Ihr Blick flog zu Jay. Als sie das Essen entdeckte, weiteten sich ihre Augen.
Jay hob die Schultern. »Ich dachte, Sie hätten vielleicht noch Hunger.«
»Aber wir haben doch gerade erst gegessen.«
»Bei mir hält das nie lange vor. Wenn Sie keinen Appetit haben, leisten Sie mir einfach nur Gesellschaft, während ich esse.« Als er sah, dass sie zögerte, streckte er seine Hand aus. »Bitte?«
Schließlich trat sie langsam näher. »Es tut mir leid, ich wollte nicht so lange das Bad besetzen.«
»Sie können dort bleiben, solange Sie wollen, ich hatte nur Angst, dass Sie vielleicht einen Schwächeanfall erlitten hätten – oder etwas mit dem Baby wäre.« Deutlich konnte er sehen, wie unangenehm ihr die Erwähnung der Schwangerschaft war. »Wollen Sie etwas darüber erzählen?«
»Worüber?«
»Über Ihre neue Identität. Wo waren Sie, was haben Sie gemacht?«
Jocelyn biss auf ihre Lippe. »Es kommt mir komisch vor, jetzt darüber zu sprechen, weil ich so lange mit niemandem reden durfte.«
»Das kann ich verstehen, aber ich muss wissen, was genau geschehen ist, damit ich herausfinden kann, wer hinter Ihnen her ist.«
»Ich habe unter dem Namen Hannah Turner in Mitchell, Nebraska, gelebt. Ich hatte dort ein kleines Haus gemietet. Meine Nachbarn und auch meine Arbeitskollegen und Kunden waren ganz normale Leute, sofern ich das beurteilen kann. Es ist mir jedenfalls nicht aufgefallen, dass mich jemand beobachtet hätte.«
»Als was haben Sie dort gearbeitet?«
»Als Aerobic-Lehrerin.«
Jays Augenbrauen schossen in die Höhe. »So?«
Jocelyn schob das Kinn vor. »Glauben Sie, ich kann das nicht?«
Seine Mundwinkel hoben sich amüsiert. »Ich stelle es mir schwierig vor mit dem
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