Trugschluss
in den vergangenen Jahren auf viel
Seltsames gestoßen sind – aber wenn Sie mir jetzt einreden wollen, dass hier
mit Zeitreisen experimentiert wird – zurück in die Vergangenheit oder voraus in
die Zukunft -, dann halte ich das für ziemlichen Hokuspokus.«
Der Theologe, der noch immer im ersten
Gang fuhr und jetzt das Seitenfenster aufkurbelte, wollte nicht mehr
weiterreden.
»Nun seien Sie nicht gleich beleidigt«,
ermunterte ihn Häberle, »aber Sie sollten schon auf dem Boden der Realität
bleiben.«
Der Angesprochene konzentrierte sich auf
die Stoßstange des vorausfahrenden Fiats. »Ich sag ja nur, welchen Eindruck ich
von allem hab. Denken Sie doch mal drüber nach: Wer die Vergangenheit
beherrscht, beherrscht die Gegenwart.«
»Allein damit widersprechen Sie sich
selbst«, konterte Häberle. »Wäre es möglich, in der Vergangenheit etwas zu
verändern, fände die Gegenwart gar nicht so statt, wie sie stattfindet.« Er
machte eine Pause. »Dann geh’n Sie gefälligst zurück und bringen Hitler um.«
Brobeil schwieg für einen Moment, doch
aufgeben wollte er nicht: »Das sind Denkmuster, wie sie unserem Weltbild
widersprechen. Wir leben in einer Gegenwart, deren Vergangenheit wir natürlich
kennen. Es ist unsere …« Er überlegte. »… unsere Zeitdimension. Aber wissen
wir, ob es noch andere gibt? Herr Kommissar, diese Welt ist viel komplexer, als
wir sie uns vorstellen können. Sprechen Sie doch mit Wissenschaftlern! Die
werden Ihnen Dinge berichten, da sträuben sich Ihnen die Nackenhaare!
Quantenphysik und so – aber wen interessiert das heutzutage schon? Die
Menschheit rennt anderen Dingen hinterher, dümmlichen Fernsehshows,
oberflächlichem Happyness. Verdummung allüberall. Aber das ist wohl so gewollt.
Solange das Volk abgelenkt ist und sich nicht um die wirklich wichtigen Dinge
kümmert, können auch die Politiker schalten und walten, wie sie wollen.«
Solche Worte gefielen Häberle schon wieder
besser. »Absolut richtig«, bekräftigte er, während sie sich nun der
Ampelkreuzung näherten, die das Verkehrschaos anrichtete.
»Gehen Sie in den Religionsunterricht«,
machte der Theologe weiter. »Fragen Sie, was an Weihnachten gefeiert wird! Und
Sie kriegen zur Antwort: Jesus Hochzeit. Ganz zu schweigen, wenn’s um die Natur
geht. Null Ahnung über die Zusammenhänge in der Umwelt. Null. Oder über die
Tierwelt um uns rum. Null.«
Brobeil merkte, dass sie abgeschweift
waren, weshalb er wieder auf den Kernpunkt zurückkam: »Und deshalb bin ich
davon überzeugt, dass im Geheimen Experimente ablaufen, die das normale Volk
nicht ahnt – weil es inzwischen davon auch nichts mehr versteht. Ich erinnere
an den Irak-Krieg …« Der Fahrer hielt inne, weil es nun zügig voranging –
wenigstens ein halbes Dutzend Autolängen. »Massenvernichtungswaffen, hat Bush
behauptet. Alle Welt hat an Giftgas geglaubt, schlimmstenfalls an nukleare.
Doch dass die ›Schurkenstaaten‹, wie’s ja immer heißt, auch an einer
Technologie herumlaborieren, die den hiesigen Versuchen entspricht, daran hab
ich nicht den geringsten Zweifel. Zumal es denen dort leichter fällt, sie
geheim zu halten. Außerdem …« Er lächelte und schaute zu dem schweigenden
Häberle hinüber. »… außerdem hat man im Orient ohnehin zu den unerklärlichen
Dingen eine weitaus offenere Einstellung, als bei uns, im nüchternen Westen.«
»… wo man sich an Realitäten und Fakten
hält«, ergänzte der Kriminalist auf seine Art.
»Na ja«, machte Brobeil unbeirrt weiter , »jedenfalls
ist für die Militärs hüben wie drüben alles von Interesse, was zu neuen Waffen
führt. Denken Sie doch mal drüber nach, Herr Häberle …« Der Theologe sprach
noch einmal ein Thema an, das dem Kriminalisten wie ein rotes Tuch erschien. »…
stellen Sie sich vor, die ›Schurkenstaaten‹ könnten sich ins Jahr 1787
zurückversetzen und die Gründung der USA verhindern.«
Häberle holte tief Luft. Es war sinnlos,
dazu noch etwas zu sagen.
Der Kriminalist hatte sich von Brobeil zum Campingplatz bringen
lassen. Häberle fand seine Susanne ganz vorne am grasbewachsenen Ufer, wo
niemand außer ihr einen Liegestuhl aufgestellt hatte. Sie las in ihrem
Krimi-Taschenbuch und drehte sich erfreut um, als sie ihren Mann kommen sah. Er
drückte ihr einen Kuss auf die Stirn und lächelte.
»Und – habt ihr was rausgekriegt?«, wollte
sie wissen und legte sich das aufgeschlagene Buch auf den Bauch.
Häberle nickte und stand mit
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