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Trugschluss

Trugschluss

Titel: Trugschluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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fest.
    Blühm zuckte mit der rechten Backe. »Tja«,
er seufzte, »manchmal ist man wie gelähmt und hat nur eines im Sinn – nämlich
Flucht. Das ist sicher ein tierischer Instinkt.«
    Sie lächelte und zeigte damit Verständnis
für sein Verhalten. »Und nun?« Sie schaute provozierend auf ihre goldene
Armbanduhr. »Wenn wir etwas unternehmen wollen, bleibt uns nicht mehr viel
Zeit.«
    Er stand ihr jetzt ganz nah gegenüber. Sie
schauten sich fest in die Augen. Eine Situation, die er sich bei den seltenen
Besuchen in ihrer Hohenstadter Behausung schon gewünscht hatte, dachte er
jetzt. »Wir kämpfen gegen eine Übermacht«, stellte er fest. »Aber manchmal ist
ein eiserner Wille mehr Wert, als jede Strategie.«
    »Ja, es nicht nur wollen …«, knüpfte sie
an seine Worte an, »… sondern es auch tun.« Die Frau drehte den Kopf leicht zur
Seite, ohne ihren Blick von seinen Augen zu lassen.
     
    Sie waren mit der nächsten Kabine wieder talabwärts gefahren,
schweigend, weil sie das Abteil mit vier Wanderern hatten teilen müssen. Häberle
hatte für einen kurzen Moment überlegt, die Schweizer Behörden einzuschalten.
Doch er verwarf den Gedanken gleich wieder, denn dies hätte enormen
Erklärungsbedarf ausgelöst – vor allem aber Rückfragen in Göppingen. Und wer
konnte schon wissen, wie sehr die Behörden in die ganze Geschichte verstrickt
waren?
    Brobeil steuerte den roten Polo durch das
innerstädtische Verkehrschaos. Sie wollten zurück nach Agno. Der Weg dort- hin
führte zunächst zum höhergelegenen Bahnhof, wo die Straßenführung ziemlich
undurchsichtig war, befand der Theologe, doch Häberle auf dem Beifahrersitz
kannte sich hier aus. Nach ein paar Minuten hatten sie die Ausfallstraße
erreicht, die sich bald wieder senkte und dann die zur Po-Ebene führende
Autobahn unterquerte.
    Sie kamen an der Zufahrt zum Campingplatz
vorbei, sahen rechts den Begrenzungszaun des Flughafens und sogleich ein
Shopping-Center, das sich großspurig ›World Trade Center‹ nannte. Nach einem
Kreisverkehr, vor dem sich die Fahrzeuge stauten, ging’s noch einige hundert
Meter weiter – schnurgerade nach Agno hinein.
    »Da müssen Sie mal zur Hauptsaison
herkommen«, murmelte Häberle beim Anblick des von rechts aus Richtung
Autobahn-Anschlussstelle Lugano-Nord heranflutenden Verkehrs. Sie bogen in
diese ›Via Cantonale‹ ein, die in einiger Entfernung parallel zur Start- und
Landebahn des ›Aerodromo Lugano‹ verlief, entlang der linken Seite des breiten
Tales.
    Häberle hatte darauf bestanden, endlich
diese dubiose Software-Firma zu sehen.
    Der Polo rollte einer langen Autoschlange
entgegen. Nach etwa einem Kilometer deutete Brobeil nach vorne rechts: »Das ist
es.« Häberle brachte seinen Oberkörper näher an die Windschutzscheibe heran. Er
sah ein langgezogenes tristes Gebäude, mehrstöckig und schmucklos, das
zurückversetzt an der Straße stand. Die Fenster der oberen Etagen waren mit
Vorhängen versehen, die unteren vergittert, Rollläden geschlossen. Auf dem
Flachdach erhoben sich viele unterschiedliche Antennenstäbe, außerdem ein
halbes Dutzend Richtfunk-Schüsseln. Brobeil nahm das Gas weg und fuhr mit
mäßigem Tempo – wohl zum Ärgernis der Hintermänner – an dem Haus vorbei.
Umgeben war es von einigen hochgewachsenen Bäumen, zwischen denen Parkplätze
ausgewiesen waren. Nur ein einziges Auto stand dort. Häberle fiel auf, dass es
keinen Begrenzungszaun gab. Das war ungewöhnlich, falls hier drin tatsächlich
geheime Forschung stattfand, dachte er. An der metallenen Eingangstür in der
Mitte der Breitfront des Gebäudes erkannte er im Vorbeifahren ein großes
goldenes Schild, dessen Aufschrift er aber nicht lesen konnte.
    Ein nachfolgender Mercedes gab Lichthupe –
doch wohl nur, weil ihm der Polo zu langsam erschien. Brobeil gab wieder Gas.
Sie kamen an einer ziemlich verwilderten Fläche vorbei und erreichten erst nach
etwa hundert Metern das nächste Haus, offenbar ein Handwerksbetrieb, wie die
abgestellten Kombis vermuten ließen.
    »Und?«, durchbrach der Theologe das
Schweigen.
    Häberle wandte den Blick zu ihm und
entschied: »Ich will da rein.«
    Brobeil drehte sich um. »Sie wollen … was?«
    »Da rein«, wiederholte der Kriminalist und
deutete mit der rechten Hand nach hinten.
    »Das kann nicht Ihr Ernst sein«, meinte
der Fahrer und hatte Mühe, seinen Blick auf die Straße gerichtet zu lassen. Er
wollte an der Autobahn-Zufahrt wenden und wieder zurück nach Agno fahren,

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