Trugschluss
war ihm bei dieser Gelegenheit noch mehr zu entlocken. »Und
wie wollen Sie denn alle mundtot machen? Den Herrn Blühm oder den Herrn
Vollmer? Und wo ist denn der Herr Clearwood? Alle schon eliminiert? Wie vor
vier Jahren – mit einer Strahlenkanone oder was weiß ich? Ich sage nur:
Stichwort Hohenstadt, dürfte Ihnen doch ein Begriff sein. Hab ich recht? Da ist
einer aus Ihren Reihen wohl zu vorwitzig gewesen, ist ausgestiegen und hat um
diese militärische Anlage rumgeschnüffelt. Oder Sie haben ihn hingelockt.
Jedenfalls ist der Mann damals nicht einfach so verbrannt, wie man es uns
weismachen wollte. Nein, da muss eine Höllenglut am Werk gewesen sein.
Wahrscheinlich eine neuartige Waffe, wie ich sie Ihnen und ihresgleichen
zutraue. Und zuvor hat man eben auch, wie das ihresgleichen zu tun pflegen,
schon mal Vorsorge für weitere Fälle getroffen. Ein paar DNA-Spuren von einem
Verstorbenen können die Agenten später doch gut gebrauchen, um so einen
Provinzkommissar zu irritieren. Man kann ja nie wissen!« Häberle lief in
Hochform auf. Er hatte vergessen, dass er mit keinerlei amtlichen Befugnissen
ausgestattet war. Und er verdrängte den Gedanken, dass ihm dieses Vorgehen den
Job kosten konnte.
Der Fremde lächelte zufrieden. »So wird’s
wohl gewesen sein, Mr. Häberle. Was die Herren Clearwood und Vollmer anbelangt,
nun ja – die Herren sind als hochkarätige Wissenschaftler im Vollbesitz ihrer
geistigen Kräfte und durchaus in der Lage, ihren …« Er verengte die
Augenbrauen. »… ihren Aufenthaltsort frei zu wählen. Wo immer sie hinwollen. Ich
glaube, es gibt keinen Grund zur Beunruhigung – und schon gar nicht zu
polizeilichem Handeln. Oder meinen Sie, die Schweizer Behörden hier hätten
nicht längst eingegriffen, wenn wir gegen Gesetze verstoßen würden?« Während
sich die Kabine der sonnenbeschienenen Bergstation näherte, auf deren Terrasse
mehrere Personen standen, brachte Armstrong zum Ausdruck, dass er das Gespräch
für beendet erklärte: »Was Sie tun, ist jetzt Ihre Sache, meine Herren«, sagte
er beim Aussteigen, »Sie sollten aber bei allem aufpassen, dass Sie keinem …«
Er hielt im Weggehen nochmal inne: »… ja, dass Sie keinem Trugschluss
unterliegen.«
Der Mann verschwand schnellen Schrittes
über den ansteigenden Fußweg, der sich schon bald bei einigen Gebäuden
verengte. Häberle und Brobeil entfernten sich hingegen nur ein paar Meter von
dem Ausgang der Bergstation, um einigen Wanderern Platz zu machen. Der
Kriminalist spürte, dass er schwitzte. Er holte tief Luft und blickte von
diesem Aussichtspunkt auf Lugano und seine Umgebung hinab, hinüber zum San
Salvatore und über den sanften Bergrücken hinweg, hinter dem sich Agno und der
Flughafen befanden. Doch genießen konnte er diese Landschaft heute nicht.
»Und warum haben Sie gestern Ihren Mitstreiter nicht treffen
wollen?«, fragte die junge Frau, die aufgestanden war, um über die akkurat
geschnittene Wiese zum See hinüberzugehen, dessen Wellen leise gegen einen
schmalen Kieselstreifen plätscherten. Ein halbes Dutzend Enten näherte sich.
Blühm blickte der schlanken Frau nach.
Ihre Hose war wirklich aufregend kurz. Auch er erhob sich und folgte ihr in
Richtung See.
»Was heißt Mitstreiter?« Er war von der
Frage irritiert. »Dieser Pfarrer hat sich vor Jahren mal an mich gewandt –
wegen dieses Brummtons. Weil er im Urlaub diesen Neumann getroffen hat.« Blühm
überlegte und beobachtete die Enten, die jetzt an Land watschelten. Die Frau
drehte sich keck zu ihm um. Ein wunderbares Bild, wie sie so dastand, dahinter
der blaue See, die Bucht und der aufragende Monte Bré als Kulisse.
»Was hätte ich ihm sagen sollen?«, fragte
Blühm eher sich selbst. »Dass ich mitten drinstecke in dieser verdammten
Geschichte? Dass ich …« Wieder stockte er. »…dass ich Jens Vollmer zu dieser
Sache überredet hab? Dass ich mich moralisch verantwortlich fühle für das, was
Wissenschaftler anrichten? Dass ich hergekommen bin, um hautnah mitzuerleben,
was es nie zuvor gegeben hat? Dass ich aber zu dem allem nicht mehr stehen
kann?« Er hatte bemerkt, dass er zu laut geworden war, und drehte sich deshalb
um. Doch da waren noch immer keine anderen Gäste.
Die Frau lächelte und kam auf ihn zu. Dies
allerdings erschreckte die Enten, die deshalb ihre Watschel-Richtung abrupt
änderten.
»Es wäre doch die günstige Gelegenheit
gewesen, dies alles bei einem Gläschen Chianti mit ihm zu bereden«, stellte die
Frau
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