Trugschluss
der Beamte,
als er die Ausweise einem Kollegen reichte, der per Funk eine Personenabfrage
vornehmen sollte.
Der Mann am Steuer nickte und lächelte. »Wir
verbinden das Angenehme mit dem Nützlichen – so sagt man, glaube ich bei Ihnen.«
Sein arabischer Akzent war nicht zu überhören. »Wir sind Repräsentanten einiger
Firmen im Nahen Osten und bemühen uns um Aufträge.« Der Polizist nickte
nachdenklich. Klar, dachte er, billige Arbeitslöhne, Kinderarbeit in den
Hinterhöfen. »Dürfen wir noch in Ihren Kofferraum sehen?«, brachte er sich
selbst wieder in die Realität zurück.
Der Fahrer stieg bereitwillig aus. Er war
übergewichtig. Mit einem geübten Griff, der darauf schließen ließ, dass er den
Wagen nicht zum ersten Mal benutzte, hob er die Kofferraumklappe an. Der
Stauraum war leer. »Kein Gepäck?«, staunte der Hauptkommissar und musste lauter
sprechen, weil nebenan auf der Straße ein Sattelzug vorbeidonnerte.
»Wir wohnen hier«, antwortete der Fahrer, »in
Reutlingen – in einem Hotel.« Die Männer gingen wieder zur offenstehenden Fahrertür
zurück. Im Innern saß der zweite Araber und beobachtete noch immer wortlos, was
um ihn herum geschah.
»Welche Branche vertreten Sie denn?«,
wollte der Streifenpolizist wissen.
»Metall«, erwiderte der Araber, dessen
Namen dem Beamten nach dem Lesen der Dokumente mit »Abdul« im Gedächtnis
geblieben war. »Metallverarbeitung – und alles, was damit zu tun hat.«
Der Beamte, der mit den Ausweispapieren in
einen Polizeikombi geklettert war, kam wieder zurück. »Alles okay«, sagte er
und übergab die Dokumente dem Fahrer, der sich daraufhin freundlich bedankte
und sich wieder hinters Steuer setzte. Mit einem satten Rums fiel die Tür ins
Schloss. Das Starten des Motors war kaum zu hören. Die Beamten traten zur
Seite, als der Mercedes in Richtung Reutlingen davon fuhr.
»Wir haben die Personalien festgehalten«,
erklärte einer der jungen Beamten seinem Vorgesetzten, »man kann ja nie wissen.«
Der Hauptkommissar runzelte die Stirn und
meinte mit einer Portion Resignation in der Stimme: »Wenn die Dreck am Stecken
haben, sind ihre Papiere allesamt gefälscht, glauben Sie mir. Aber irgendwie
mag ich nicht so recht glauben, dass die die seriösen Geschäftsleute sind, für
die sie sich ausgeben.«
Der junge Beamte schaute seinen Chef
irritiert an: »Aber was hätten wir machen sollen?«
»Nichts«, erwiderte dieser, »wenn nichts
gegen sie vorliegt, gibt’s auch keine Handhabe.« Er wandte sich ab und
ergänzte: »Was glauben Sie, was sich bei uns alles tummelt! Wenn Sie mal so alt
sind, wie ich, dann werden Sie darüber nicht mehr staunen. Oder sie haben uns
alle ausgehebelt, mit unseren eigenen rechtsstaatlichen Mitteln …«
Der junge Beamte verstand nicht so
richtig, was sein Chef damit meinte. Doch da wurde schon der nächste Wagen zur
Kontrollstelle gewunken – wieder ein Kastenwagen.
Das Einzige, was sie hörten, waren Autos, die am Haus vorbei
fuhren. Die beiden Männer blieben wie versteinert sitzen. Sander spürte, wie er
tief in den Sessel gesunken war, um ihn herum nur Finsternis.
»Da ist jemand im Haus«, stellte Steinbach
fest, fast flüsternd. Ihm war anzumerken, dass er panische Angst hatte.
Wieder eine schier endlose Pause, bis der
Journalist mit ebenso leiser Stimme fragte: »Haben Sie irgendwo eine
Taschenlampe?«
Sein Gesprächspartner atmete schwer. »Draußen
in einem Schrank«, sagte er, ohne Anstalten machen zu wollen, sie zu holen. Sie
lauschten in die Nacht. Aber seit dem Türenschlagen war nichts Verdächtiges
mehr zu hören gewesen.
Sander erinnerte sich seines Handys, das
er in der Jacken-Innentasche mit sich trug. Er griff danach, vorsichtig darauf
bedacht, keine Geräusche zu verursachen. Als er die Tastensperre löste,
erhellte sich das Display. Dies erkannte sein Gegenüber. »Was tun Sie?«, fragte
dieser vorsichtig.
»Ich ruf die Polizei«, erklärte der
Journalist und drückte »110«. Jetzt war so ein Moment gekommen, für dessen Fall
er gleich nach dem Kauf des Handys die Tastentöne ausgeschaltet hatte. Niemand
konnte somit hören, dass er eine Nummer wählte.
Augenblicke später meldete sich der
Polizeinotruf in Ulm.
Sander flüsterte seinen Namen, überlegte
für einen kurzen Moment, an welcher Adresse er sich befand, und nannte sie. »Es
ist jemand im Haus, der uns den Strom abgestellt hat. Bitte kommen Sie
dringend.«
Der Polizist in Ulm bestätigte kurz und
knapp, worauf Sander sich
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