Trugschluss
Scheibe geworfen worden.
Die beiden Uniformierten schauten sich
kurz an und verließen den Raum. Sie erklärten Steinbach, dass sie das ganze
Haus durchsuchen und die Hauptstromsicherung sehen wollten. Der Angesprochene
und Sander folgten den Beamten, die sich zunächst dem Dachgeschoss zuwandten.
Dort allerdings deutete nichts auf einen Einbruch hin. Die Türen und Fenster
waren geschlossen, die Räume unberührt.
Erst als sie in den Keller stiegen, fanden
sie verdächtige Spuren: Die Tür in einen Abstellraum stand weit offen – und der
Schein der Handlampen traf ein Fenster, das offenbar aus der ursprünglich
gekippten Stellung herausgehoben worden war und jetzt nur noch schief in seiner
Verankerung hing. Die beiden Beamten stiegen über umgeworfene Kisten und
Schachteln hinweg zu der Außenwand hinüber und sahen, dass das Fenster in einen
Lichtschacht mündete, dessen Gitterrost-Abdeckung weggehoben worden war. »Hier
ist jemand rein«, stellte einer der Uniformierten fest und deutete in den
betonierten Schacht hinaus. Steinbach schwieg, während Sander näher an das
Fenster herantrat.
Nachdem die anderen Kellerräume durchsucht
waren und weder eine offene Außentür noch ein weiteres aufgehebeltes Fenster
festgestellt wurde, resümierte der Uniformierte, der zwei silberne Sterne auf
den Schulterklappen hatte: »Der ist rauf ins Erdgeschoss und durch die
Eingangstür raus.« Dies erkläre wohl das Geräusch einer zufallenden Tür – nicht
aber, weshalb der Strom ausgefallen sei.
Die Beamten ließen sich den
Sicherungskasten zeigen, der sich in dem Abstellraum befand. Sie leuchteten
nacheinander den Zähler und die einzelnen Automaten ab. Alle schienen in
Ordnung zu sein, doch dann erkannte einer der Polizisten: »Die Hauptsicherung
ist raus.« Er griff danach und drückte den breiten Hebel nach oben. Steinbach
betätigte den Lichtschalter – und die Leuchtstoffröhre begann zu zucken. Er
atmete auf und die Beamten löschten ihre Handlampen.
»Sieht aus, als ob einer eingebrochen ist
und gleich den Strom abgeschaltet hat. Das haben wir immer häufiger«, meinte
der Uniformierte mit den Silbersternen, »die machen das Haus stromlos, um
Bewegungsmelder oder ähnliches außer Betrieb zu setzen.«
Steinbach und Sander schwiegen.
Unterdessen knipsten die Beamten die Lichter im Flur und im Treppenhaus an und
gingen ins Erdgeschoss hinauf. »Die Kollegen vom Bezirksdienst werden morgen
früh vorbeischauen, ob es Spuren gibt«, sagte einer. Es klang so, dachte
Sander, als ob dieser Einbruch für die Beamten einer von vielen Fällen war, die
routinemäßig protokolliert und dann ungelöst zu den Akten gelegt würden. Dabei
machte das Vorgehen des Unbekannten doch keinen Sinn: In den Keller einsteigen
und anschließend eine Scheibe einwerfen.
Während Steinbach die Beamten an den
Wohnzimmertisch bat, um Personalien und Vorgeschichte zu Protokoll zu geben,
blieb Sander im Treppenhaus zurück. Nach all den Umständen, die er erfahren
hatte, und nach dem jetzigen Einbruch wollte er nicht mehr bis morgen warten,
um mit Kriminalhauptkommissar August Häberle zu sprechen. Dessen Telefonnummern
hatte der Journalist in seinem kleinen Nokia gespeichert. Schließlich hatte er
in jüngster Zeit über einige große Fälle berichtet, mit denen Häberle befasst
gewesen war.
Mit kurzen Worten schilderte der
Journalist, dass er ebenfalls in Sachen Neumanns unterwegs sei. Er verwies auf
den angeblich mysteriösen Unfalltod eines Münsingers und auf die Angst, in der
die Brummton-Geschädigten offenbar lebten.
Häberle hörte geduldig zu und zeigte
Verständnis: »Die Sache ist in der Tat ziemlich seltsam, da stimm’ ich Ihnen
zu. Man muss aber bei allem Wohlwollen vorsichtig sein, nicht einem Phantom
hinterher zu jagen. Aber ich kann mir morgen mal die Unfallakte geben lassen.«
Sander wollte nicht locker lassen. »Mensch,
Herr Häberle, das dürfen Sie nicht auf die leichte Schulter nehmen. Was hier
abgeht, das sind keine Hasendiebstähle – aber ich hab den Eindruck, dass dies
so behandelt wird.«
»Na, na«, machte Häberle, »jetzt mal
halblang bitte. Die Sache mit den Neumanns nehmen wir absolut ernst.«
»Als Einbruch mit Überfall auf die Frau,
ja«, meinte der Journalist, »nicht aber, was die Hintergründe anbelangt. Oder
wollen Sie tatsächlich glauben, dass die beiden Einbrüche, bei Neumanns und
jetzt hier bei Steinbach, rein zufällig innerhalb weniger Tage verübt wurden?«
»So, wie Sie mir das schildern,
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