Truthahn um zwölf
was bei ihnen. Sie sagt, Freeman war verrückt, solche Schulden zusammenkommen zu lassen. Aber die Rechnungen kamen immer weiter mit so schlimmen Drohungen, und Edith hatte so Angst, daß das nach ihrer Hochzeit weitergehen würde, und sie konnte den Gedanken nicht ertragen, daß Ted die Rechnungen von Freeman bezahlen müsse. Sie schauten herein, als sie von ihrer Hochzeitreise zurückkamen, sie erwischte mich allein und fragte so verängstigt nach einem Brief, daß ich richtig froh war, als ich sie beruhigen konnte. Was ist mir dann anderes übriggeblieben?«
»Es war nicht deine Sache«, sagte ich streng. »Aber was hast du denn eigentlich getan?«
Larry sagte freundlich: »Das kann ich mir denken. Es ist doch noch ein Brief gekommen, nicht wahr, Tony?«
»Damals noch nicht, aber ein paar Tage später. Und sie sind so glücklich gewesen…« Diesmal standen ihr tatsächlich Tränen in den Augen. Sie schluckte und sagte: »Und... und...«
Larry lachte. »Und dann ging der Brief verloren?«
»Nein, das nicht. Er war eingeschrieben.«
»Eingeschrieben? Aber Tony!« Mein Humor war restlos zu Ende, Larrys aber nicht.
»Hast du — hast du ihn verbrannt?«
»Natürlich nicht«, sagte Tony entrüstet. »Das darf man doch nicht. Aber — ich hab’ ihn niemand gezeigt. Ich hab’ an diesem Nachmittag die Post sortiert, und deshalb ist das gegangen.«
Ich war verzweifelt. Miss Adams ist unbestechlich mit der Post, und sie hatte Tony vertraut. Ich blickte Larry hilflos an und wußte nicht, was ich sagen sollte. Sie fragte: »An wen war er adressiert?«
»An Mrs. Freeman natürlich.«
Larry triumphierte. »Es gibt keine Mrs. Freeman!«
Das stimmte, aber es tröstete mich nicht. »Du meinst, weil sie jetzt Stewart heißt?«
»Das auch, aber ich meine noch etwas anderes. Sie ist nie Mrs. Freeman gewesen. Ich glaub’ nicht, daß sie irgendein Recht gehabt haben, ihr diese Rechnungen zu schicken. Sie ist nie seine Frau gewesen. Warum soll sie dann dafür verantwortlich sein?«
Tony strahlte. »Eben. Es gibt keine Mrs. Freeman. Das war nicht Ediths Rechnung. Eigentlich hätte ich den Brief an diese Frau in Australien schicken sollen, aber ich hab’ keine Ahnung, wo sie wohnt.«
Ich sagte streng: »Eigentlich hättest du ihn Miss Adams zeigen und sie fragen sollen, was du damit tun sollst. Außerdem mußte man Edith damit belangen können, sonst hätte sie keine von diesen Rechnungen bezahlt. Noch dazu war es ein eingeschriebener Brief.«
»Ach, Susan, sei doch nicht so stur«, sagte Larry. »Man kann keinen Brief, nicht einmal einen eingeschriebenen, an jemand schicken, der tot ist, oder den es nie gegeben hat. Genauso wenig wie an ein ungeborenes Baby.«
Das war zu hoch für mich. Ich sagte schwach: »Das ist nicht der springende Punkt. Es geht überhaupt nicht um die abscheuliche Firma — es geht um Tantchen.«
»Wieso?« fragte Larry. »Sie weiß gar nichts davon. Sie hat mit der Sache nichts zu tun.«
»Sie ist die Posthalterin, und Tony ist nur ihre Angestellte. Deshalb ist sie verantwortlich für das, was Tony tut.«
Tony hatte wieder den Kopf hängen lassen. Aber sie hatte ein wenig Hoffnung, denn Larry brachte ihre Argumente so geschickt, daß sie fast vernünftig klangen. »Aber was hat Tony denn getan? Nur einen Brief jemand nicht zugestellt, den es nicht gibt! Ich nenne das schlicht und einfach vernünftig.«
Es war unser Pech, daß gerade da Paul hereinkam und diese letzte Bemerkung noch hörte.
»Was ist so vernünftig? Wenn Larry das sagt, dann wette ich meinen letzten Dollar, daß da etwas faul ist.«
Larry lachte und hätte sicher von etwas anderem angefangen, aber Tony machte ein unglückliches Gesicht. Sie sagte mit dünner Stimme: »Susan, du bist schockiert, und dabei hast du versprochen, daß du nicht böse bist, wenn ich nur alles erzähle. Ich kann das nicht aushalten, wenn du mir böse bist, Susan.«
Paul blickte uns der Reihe nach an. Tony hatte einen roten Kopf, Larry war streitsüchtig und bereit, sich in den Kampf zu stürzen, und ich fühlte mich elend. Ich liebte Tony sehr, aber ich liebte Tantchen auch, und mein Herz wurde hin und her gerissen. Ich sagte: »Ach, bei der Sache können wir jetzt sowieso nichts machen, Paul, also reden wir nicht darüber.« Ich habe vor Paul nur sehr ungern Geheimnisse, aber ich wußte, wieviel Tony daran lag, daß er nichts erfuhr. Aber ich hatte mich verrechnet. Sie wollte jetzt unbedingt alles gestehen und sagte zu meiner Überraschung:
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