Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)
ärgerte und ihn in seine gewohnt griesgrämige Stimmung versetzte. Der Vorteil war, dass sein geheucheltes Desinteresse dadurch authentischer klang.
„Evan, es war ein Traum... ein Traum... ein Traum!“, rief June begeistert. „Du kannst dir das nicht vorstellen – und das meine ich so, wie ich es sage: Es ist un-vor-stellbar, wenn man das nicht mit eigenen Augen erlebt und gesehen hat...“
Und sie fing an zu schwärmen, was sie erlebt hatten, wie sie bedient worden waren, dass Michael bis zu acht Köche beschäftigte und jedem zu jeder Zeit, selbst nachts, sofort ein gewünschtes Essen zubereitet wurde. Die Masseure, die Landschaft, das Spielzeug, der Zoo, der Rummelplatz, das Kino...June schien kein Ende zu finden.
„Und das waren nur zweieinhalb Tage!“, sprudelte sie, „Michael ist ein so höflicher und liebenswürdiger Mensch, der tollste, großherzigste Celebrity, den ich kenne!“
„Das ist nicht schwer, immerhin ist der Einzige, den du kennst“, knurrte Evan.
Wieder fühlte er sich ausgeschlossen, ohne, dass ihm dies deutlich bewusst war. Da war nur so ein Grummeln in der Magengegend - er konnte die Freude, die June empfand, nicht teilen.
„Wann kommt Jordy zu mir?“, fragte er unwillkürlich und wunderte sich selbst über die Frage. Noch mehr aber wunderte sich June. Sonst hatte sie ihren Mann immer bitten müssen, sich um Jordy zu kümmern. Nun kam er alleine auf sie zu? Das Leben konnte schön sein!
„Wann immer du willst“, erwiderte sie warm, „du weißt, dass Jordy sehr enttäuscht war, als du letztes Mal abgesagt hast.”
„Ging nicht anders... du weißt ja... der Patient...“
„Weiß ich, klar.“
Die beiden schwiegen für eine Weile, dann sagte June:
„Ich sage Jordy, dass er dich anrufen soll, dann könnt ihr was ausmachen.”
***
Michael erlebte diese Zeit als etwas ganz Besonderes. Er spürte, dass er nun, nach all seinen Erfolgen, nach Thriller, Bad und nun mit Dangerous, vor allem wenn die Welt-Tour vorbei sein würde, ein Stück Ruhe einkehren lassen konnte. Zeit, Freundschaften zu pflegen, zu sich selbst zu kommen. Der Gedanke war eines Tages, als er allein auf seinem Baum gesessen war, in kristallener Klarheit aufgetaucht. Für ihn, das Arbeitstier und den Perfektionisten, war das eine überaus große und auch seltsam anmutende Erkenntnis. Wie der Gedanke an den allerersten Urlaub in einem stressigen Arbeitsleben. Irgendwo fühlte er, dass es noch andere Dinge zu entdecken gab. Er hatte jedes Recht, so zu denken: Immerhin hatte er schon 30 Jahre harte Arbeit hinter sich.
Natürlich würde es eine Welt ohne Musik für ihn nie geben, musste er seinen Vertrag erfüllen, neue Alben abliefern, Verpflichtungen gegenüber Sony nachkommen. Trotzdem, und das nahm er sich fest vor, wollte er sich mehr seinem Privatleben widmen.
Debbie hatte ihn auf eine völlig andere Spur gebracht. Dem ersten Motorradausflug waren viele weitere gefolgt und einmal hatte sie ihn sogar in ein öffentliches Kino geschleust, was ihm besonderen Spaß bereitet hatte. Sie waren in Pubs gewesen, die so dunkle Ecken hatten, dass sich keiner nach ihnen umgeschaut hatte und da Michael Verkleidungen liebte, waren sie sogar ab und zu essen gegangen, hatten Wein getrunken und viel geredet und gelacht. Er genoss die Zusammenkünfte mit Debbie sehr. Sie war so gerade heraus und unverdorben. Er mochte das, weil er selbst eher zurückhaltend war und er ihre so furchtlose Art attraktiv fand. Überdies schufen die Begegnungen mit ihr ein neues Selbstbewusstsein in Bezug auf das weibliche Geschlecht. Wenn er nun Frauen auf Gesellschaften oder Partys traf, konnte er viel ungezwungener mit ihnen umgehen als sonst.
Er war erfolgreich, es ging ihm gut. Er konnte seine Ziele verwirklichen, Kindern helfen, Geld spenden, Visionen in die Tat umsetzen und seit Michael Jordy kannte und mit Debbie ausging, hatte er Hoffnung, dass auch das bohrende Gefühl der Leere und Einsamkeit eines Tages verschwinden würde.
Als er Jordy und seine Familie zuhause abgeliefert hatte, blieb er die Woche über in L.A. Seine Haut schmerzte. Inzwischen war sein gesamter Körper von Vitiligo befallen und der Arzt ätzte mit der scharfen Creme die Pigmentierung an Stellen weg, die fotografiert wurden. Gesicht und Arme. Seine Haut wurde sehr hell, war aber nur teilweise einheitlich und er brauchte nach wie vor Makeup.
Wenn er zur Behandlung zu Debbie kam, war es ihm immer, als käme er an einen geheimen Zufluchtsort. Und noch dazu
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