Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)
verschlang.
***
Die Telefongespräche mit seinen Freunden waren Leitern aus diesem Loch, wobei sich die Unterhaltungen mit Jordy mit als die witzigsten und interessantesten erwiesen.
„Wir haben uns im Prinzip ein halbes Jahr nur telefonisch unterhalten“, erzählte Mike. „Du musst wissen, ich kümmere mich bei einer Tour um alles, um Licht – und Showeffekte, Choreografie, Technik... da ist nicht viel Zeit für anderes. Weihnachten war ich für einen kurzen Stopp zu Hause, da hatte meine Freundin Liz Taylor mein gesamtes Haus weihnachtlich dekoriert – zum ersten Mal in meinem Leben hab ich das erlebt - Weihnachten in Glanz und Lichtern! Mit einem Baum und Geschenken drunter! Das war wunderschön. Dann stand die NAACP auf dem Plan, der Inaugural-Ball von Bill Clinton, der American Music Award, der Superbowl...und das Interview mit Oprah Winfrey...es war wirklich kaum Luft.“
„Du meine Güte, in all der Zeit habt ihr nur miteinander telefoniert und euch gar nicht gesehen?“, fragte ich erstaunt.
„Es verging im Prinzip fast ein Jahr bis ich ihn wieder sah – aber in der Zeit haben wir uns mindestens einmal wöchentlich gesprochen.“
Jordy war humorvoll und intelligent und besaß eine unglaubliche Phantasie. Sie konnten am Telefon sich irgendetwas zusammen spinnen, darüber lachen, ihre Luftschlösser bauen, sie wieder zerplatzen lassen... sie redeten über die Schule, über Michaels Auftritte... über einfach alles. Michael entdeckte einen Gleichklang, nach dem er sich immer gesehnt hatte. Und es gab ihm unglaublich viel, wenn Jordy ihn fragte: „Wie hast du das empfunden? Wie hast du dich dabei gefühlt?“
Es gab ihm das Gefühl, als Mensch angenommen zu werden, etwas, was er in seinem Stardasein dringend vermisste und die Zuneigung zu Jordy vertiefte sich enorm. Und wenn Michael dann antwortete, gab Jordy entweder einen gefühlvollen oder dermaßen respektlosen Kommentar dazu, der ihn sofort zum Lachen brachte, der ihn dazu brachte, die beschriebene Situation in einem völlig anderen, weniger ernsten Licht zu sehen und das tat ihm gut... es war befreiend...es war etwas, das Michael so noch nie zuvor kennen gelernt hatte: Mit jemandem reden zu können, der die Traurigkeit genauso in sich hatte wie den Schalk, der den kleinen Jungen wie den Mann in ihm ansprach und der darin keine Diskrepanz, sondern etwas Verbindendes sah.
Schon nach dem dritten oder vierten Anruf registrierte Michael ein Hochgefühl in sich, wenn er Jordys Nummer wählte.
Alles, was Evan derweil von June hörte, war, dass sie sich mit Dave ums Geld stritt und dass Michael mit Jordy einmal in der Woche zu telefonieren schien. Aber sonst tat sich nichts. Michael war unterwegs und der erste Leg der Tour dauerte neun Monate.
Eine lange Zeit... viele Monate, in der Gedanken entstanden, sich weiter entwickelten, in die Ecke gedrängt wurden... wieder hervorkamen... in Evans Kopf herumspannen und ihn besetzten, bis er sie nicht mehr los wurde.
Die Telefonate mit Jordy wurden zu einem Anker in Michaels Leben. Manchmal berichtete Jordy von der Schule, von Schwierigkeiten mit Klassenkameraden oder Lehrern. Michael versuchte, ihm aus der Distanz zu helfen, gab ihm Tipps, tat das, was Jordy auch für ihn machte: Er nahm Anteil an seinem Leben und hielt ihn dazu an, ein guter Schüler zu sein, ohne den Oberlehrer zu spielen, wie das so viele Erwachsene taten. Er sagte zu ihm:
„Eine gute Allgemeinbildung ist sehr wichtig, Jordy, du solltest mitnehmen, was du kannst und dich nicht um die Chaoten in deiner Klasse scheren, die es cool finden, eine Sechs zu schreiben...“, um in der nächsten Minute mit ihm zu diskutieren, ob er sich einen Privatjet kaufen sollte und ob man mit einer Wasserpistole einen Lichtschalter umlegen konnte.
Jordy spürte keinen Altersunterschied zwischen sich und Michael und er konnte sich ihm in einer Weise öffnen, die er vorher in seinem Leben nie gekannt hatte. Seine Klassenkameraden waren zu unreif, die Erwachsenen zu verkopft. Michael verband beide Zustände auf eine für ihn faszinierende Weise. Und diese Einstellung lag auch Michael zugrunde. Mit den Kindern konnte er spielen, aber keine tiefen Unterhaltungen führen. Mit Jordy konnte er beides. Für Jordy war Michael der beste Zuhörer der Welt und Jordy wiederum vertraute ihm Dinge an, die er noch nie mit jemandem besprochen hatte. Vorher hatte es auch noch nie jemand wissen wollen.
In Mike entstand wie immer der unbedingte Wunsch, Jordy helfen zu
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