Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)
war, lief auf allen Sendern. Michaels neuestes Album „ultimate hits“ kam gerade auf den Markt. Das konnte er buchstäblich in der Pfeife rauchen. Statt der fairen Chance auf einen Neustart, hatte Bashir die Falltür zur Hölle gebaut und ihn dorthin geführt. Und die Hinterleute der Arvizos, die er genau kannte, zerrten ihn ins tiefste Dunkel, in ihre Unterwelt. In Sekundenschnelle war Michael zu einer persona non grata geworden.
„Wer ist dieser Tom Sneddon?“ fragte ich heiser. „Und was ist das für eine Rechtssprechung in eurem Land? Wie kann so was passieren?“
Grace zuckte mit den Schultern.
„Tom Sneddon“, sagte sie und es gab kein Wort für den Ausdruck in ihren Augen, „…ist ein…ach, geh ins Internet! Es gibt so viele Fälle von Rassismus, deren er sich schuldig gemacht hat…aber da er ein Weißer ist…“
Frustriert und wütend sah sie mich an.
„…da gibt es diesen Fall mit diesem indischen Arzt“, erzählte sie. „Sneddon wollte nicht, dass ein Inder in seinem District praktiziert, und hat mehrere illegale Mittel angewandt, um ihn loszuwerden. Das Netz ist voll von seinen Taten. Er hat einen jungen Schwarzen vier Jahre unschuldig ins Gefängnis geworfen, weil er nicht bereit war, die Beweise für dessen Unschuld zu akzeptieren. Sneddon ist wegen Verletzung der Menschenrechte schon mehrfach angeklagt worden. Aber nie hatte es Folgen. Der makaberste Fall ist: Ein Weißer wird wegen Kindes missbrauch – und das ist ein Unterschied zu Belästigung - angezeigt. Das Opfer sagt aus und der Angeklagte legt ein Geständnis ab. Beide Aussagen decken sich. Sneddon spricht den Täter frei. Es gab für ihn keinen Fall „aus Mangel an Beweisen.”
Wütend sah Grace aus dem Fenster, ihre Augen waren tiefschwarz.
„Sneddon werden fälschliche Strafverfolgung, Menschenrechtsverletzung, Dinge wie Abhören von Anrufen, Morddrohungen und versuchte Anschläge gegen Personen vorgeworfen.“
Ich sog die Luft ein. „Wie kann so jemand noch in seinem Amt sein und frei rumlaufen?“, schrie ich.
„Tja, geht alles“, sagte Grace. Ihre Stimme war monoton und sie musste sich noch jetzt, drei Jahre danach, beherrschen.
„Es heißt – und wir wissen, dass es stimmt – dass sogar die Nacktfotos von Michael aus dem Chandlerfall auf Partys herum gezeigt wurden.“
Mir verschlug es die Sprache. Als ich endlich wieder meine Stimme wiederfand: „Warum hat Michael ihn nicht angezeigt?“
Aber Grace sah mich nur an und in ihren dunklen Augen lag alles, was ich inzwischen auch von Michael erfahren hatte. Ich konnte mir die Antwort selbst denken.
Michael war angeklagt wegen Kindes belästigung , erklärte mir Grace, nicht wegen Missbrauchs. Die meisten Zeitungen legten allerdings auf diese doch sehr wesentliche Unterscheidung keinen Wert.
„Der Paragraph ‚Belästigung’ ist sehr dehnbar“, erfuhr ich. „Michael war wegen „schlüpfriger und unanständiger Handlungen an einem Kind unter 14 Jahren“ angeklagt. Das konnte alles bedeuten. Sogar ein mokanter Blick zählt dazu – wenn dies der Befriedigung sexueller Bedürfnisse dient. Und hierfür maßgeblich ist die glaubhafte Aussage des Opfers.“
„Aber...wie beweist man einen ‚mokanten Blick’?“, entrüstete ich mich. „Daraus kann man doch alles drehen! Es kam also letztendlich darauf an wie glaubhaft die Familie schauspielern kann?“
„So ähnlich.“
„Was ist das für ein Rechtswesen?“, fragte ich aufgebracht. „Was ist das für ein Bullshit?“
Grace schwieg eine Weile. Dann sagte sie:
„Es gab zwei Punkte, die damals zur Anklage standen. Einmal die Belästigung, und dann die Verabreichung von Alkohol. Der zweite Punkt war bewusst eingebaut – er nahm Michael das Recht auf Bewährung. Wenn er in beiden Punkten für schuldig befunden worden wäre, wäre er für 20 Jahre in den Knast gewandert.“
Ich schloss die Augen. Zwanzig Jahre. Weil er sich liebevoll um ein krebskrankes Kind gekümmert und dieses Kind nun aus lauter Geldgeilheit nichts Besseres zu tun hatte, ihm dies so zu vergelten?
Tränen der Wut standen in meinen Augen und ich merkte nicht, wie Grace mich aufmerksam beobachtete.
„Anfang Mai allerdings wurden die Anklagepunkte erweitert“, erzählte sie. „Sie veränderten den Tatzeitraum, ohne dass nur einer da draußen es komisch fand, und Michael wurde auch noch wegen Verschwörung zur Erpressung, Freiheitsentzug und geplanter Kindesentführung angeklagt – insgesamt zehn und später dann vierzehn
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