Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)

geläutert und reifer. Und da er, wie alle Menschen dieser Welt, Liebe brauchte, sogar sehr dringend brauchte, gingen die Schmeicheleien Bashirs nicht an ihm vorbei. Er hatte so lange Prügel bezogen...seit 1993, fast zehn lange Jahre. Bashir schien ihn wirklich und tatsächlich zu bewundern. Das war Balsam für seine Seele und in ihm regte sich die sehnsüchtige Hoffnung, endlich mal wieder Anerkennung in der Welt zu finden. Er sah es als Beendigung der mageren Jahre, als Startschuss zu einem echten Neuanfang. Begeistert wie ein Kind sagte er zu.
    Februar 2003. Die unselige Bashir-Doku flimmert in Millionen von Wohnzimmern über den Bildschirm. Es wird ein merkwürdiger Mittvierziger gezeigt, der kaufsüchtig ist, auf Bäume klettert, sein Gesicht verunstaltet, sein Baby aus dem Fenster hängt, seine Kinder maskiert, mit einem 13-jährigen Jungen Händchen hält und mit Minderjährigen in einem Zimmer schläft.
    Das Ergebnis war vernichtend, Michaels Ruf auf dem gesamten Erdball ruiniert - es war ein irreparabler Schaden.
    Und wieder einmal fiel er in ein großes, schwarzes Loch. Michael schloss sich in seinem Zimmer ein und weinte drei Tage lang. Er weinte auch danach noch. Er konnte sich kaum beruhigen.
    Doch das Loch war tiefer, als er es sich je hätte träumen lassen. Es war ein Abgrund.
    XX/ 2002/2003 im Hinterzimmer
    „Oh, was für ein naives Arschloch!“ schrie er und klatschte freudig erregt in die Hände. „So ein Riesenrindvieh! Er hat sich nicht geändert! Er ist immer noch fleißig dabei, sich sein eigenes Grab zu schaufeln! Hehehe…er nimmt uns ja die Arbeit ab! Wie nett!“
    Mit gemischten Gefühlen hörte der Befehlsempfänger zu. Mit gemischten Gefühlen sah er auf den Bildschirm. Er kannte beide gut. Michael und das geheilte Kind. Und – er kannte die Originalaufnahmen, von denen wenig übrig geblieben war in dieser sogenannten Doku.
    „Da habt ihr ganze Arbeit geleistet! Respekt! Und jetzt: Presse impfen, die sind sowieso geil auf die Scheiße, die aus diesem schwarzen Arsch kommt… auch da werden wir ein denkbar leichtes Spiel haben…das Gesetz ist geändert...läuft alles. Hervorragend.“
    Er war nicht der Einzige, der die Sendung mit sichtlicher Freude und Aufregung über kommende Chancen verfolgt hatte. Eine ganze Armee schwarzer Dämonen versammelte sich im Hintergrund, bereit, sich auf Michael Jackson zu stürzen.
    Lisa rief ihn nach dem Desaster an und es tat gut, ihre Stimme zu hören.
    „Was für ein fieser Wichser!“, rief sie ins Telefon und bekam einen Lachanfall. „Dieser Idiot hat sich sein eigenes Grab geschaufelt! Keine Sau wird sich nach dieser Doku mehr von ihm interviewen lassen!“
    Michael grinste schief - zum ersten Mal seit einer Woche. Und vermisste Lisa umso mehr. Sie war sein Stern am dunklen Himmel. Sie schaffte es immer, ihn ein bisschen aufzuheitern.

Abgrund
    „Mr. Jackson, ich erwähne das nicht gerne, aber der Junge ist wirklich unverschämt. Er…ist in Ihren Weinkeller eingebrochen und Julie hat ihn und seinen Bruder betrunken im Garten erwischt...als sie mit Steinen nach den Fischen warfen.“
    Ungläubig wandte sich Michael dem Hausverwalter zu.
    „Er ist in den Weinkeller eingebrochen? Und war…betrunken? Woher hat er den Code?“
    „Das weiß kein Mensch!“, rief sein Verwalter entrüstet. „Die beiden Brüder sind dreist. Sie geben freche Antworten und lassen sich nichts sagen!“
    „Aber…aber wo ist die Mutter?“, fragte Michael. Die gesamte Familie Arvizo war schon seit Wochen Gast auf seiner Ranch – was ihn nicht störte. Er freute sich sehr darüber, dass Gavin wieder gesund war und er sollte sich erholen, solange er es wollte. Aber das hier? Das klang nicht gut.
    „Sie…lässt sich… sie befindet sich in der Beautyfarm“, berichtete der Verwalter säuerlich. „Sie lässt sich die Beine waxen“.
    Und als Michael ihn ansah, konnte er es sich nicht verkneifen zu sagen: „Die Rechnung der Beautyfarm und von Mrs. Arvizos Shoppingtour wird sicher im nächsten Monat wie immer in Ihrer Buchhaltung sein.”
    Doch Michael hatte ganz andere Sorgen. Auch wenn die New York Times die Methoden Bashirs aufs Schärfste verurteilte und Lisas Prophezeiung sich zu bewahrheiten begann, hatte Michael unter den Folgen zu leiden.
    Zwei Tage nach Ausstrahlung der Bashir - Sendung lagen bereits von der allseits bekannten Hetzreporterin plus der dem Kinderschutz verfallenen Anwältin sowie mehreren anonymen Anklägern Beschwerden bei der