Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)
hinderlich.
Für Bashir ist das Geistergequatsche. „Ah“, wirft er hin, obwohl diese Aussage Michaels doch ein wesentliches Element seines Genies ausmacht: „Du bist quasi die physische Verkörperung deiner Musik“
Man staunt, dass er diesen Satz überhaupt formulieren kann. Typisch: Er lässt sich Tanzschritte zeigen. Technischer Ablauf. Obwohl Michael ihm vorher erklärt hatte, dass man offen für etwas sein muss, was bei Bashir vollständig verstopft scheint. Michael ist geduldig und zeigt es ihm.
Aber Bashir hat etwas anderes vor, als Michael meint, was er vorhat. Man sieht förmlich, wie er mit der Schaufel in der Hand dasteht und ein Loch für ihn gräbt. Oft stellt er gleiche Fragen und es ist unschwer zu erraten, dass er mit der nächsten Formulierung Michaels etwas zu hören hofft, aus dem er ihm einen Strick drehen kann.
Nach diesen ersten zehn Minuten wäre ich schon am liebsten in den Film gesprungen und hätte Mike rausgeholt.
Michael sagt, er sei Peter Pan in seinem Herzen. Bashirs konsternierte Entgegnung: „Du bist Michael Jackson.“, als ob er einem Schizophrenen seine Identität beibringen müsse. In dem nachträglich hinzugefügten Kommentar greift Bashir die Idee des Mannkindes auf und schiebt Michaels Aussagen für den Zuschauer in diese Richtung.
Michael erklärt: ‚Ich meine, ich bin Peter Pan in meinem Herzen, ich fühle dieses Kindliche in meinem Herz’. Bashir zieht die Augenbrauen hoch. Kindliches im Herz? Was ist das für ein Mist?
Dann zeigt Michael ihm etwas sehr Privates: Einen uralten Baum, den „Giving Tree“ und eröffnet ihm, dass er es liebt, auf Bäume zu klettern und dass er dort, auf den jahrhundertalten Ästen die Inspirationen für seine größten Songs erhalten habe. Für ‚Heal the World’, ‚Black and White’, ‚Will you be there’. Das ist eine Message, die Bashir vollständig überlastet. Inspirationen auf einem Baum? Offensichtlich hält er Energie, die von oben kommt und durch den Körper fließt, für esoterischen Schwachsinn und Leute, die daran glauben für gestört.
Wir sind immer noch im Mittelalter, Zeitalter der Hexenverbrennung, errichten Scheiterhaufen für Andersdenkende und die Erde ist eine Scheibe.
Bashirs geistreiche Frage auf Michaels Inspirationsgeheimnis: „Und wie hoch kletterst du?“
Michael deutet mit der Hand nach oben und zeigt an die Stelle.
„Würdest du da gerne mal raufklettern?“, fragt Bashir und nun passiert etwas, was mir die Tränen in die Augen treibt. Immer wieder spule ich diese Szene zurück, schaue sie mir wieder und wieder an.
Michael sprudelt ein jauchzendes „JAAA!“ heraus, übergibt Bashir den obligatorischen Schirm und rennt zum Baum. Er geht nicht gemessenen Schrittes wie ein Erwachsener, der weiß, dass Kameras auf ihn gerichtet sind, nein, er stürzt mit großen Schritten auf den Baum zu, wie ein glückliches, befreites Kind, das man zum Spielen nach draußen schickt. Es ist leicht zu erahnen, dass er sich in der Gegenwart des Baumes wohler fühlt, als in der Bashirs.
Behände steigt Michael seinen Giving Tree hinauf, nicht ahnend, dass Bashir exakt mit dieser Kameraeinstellung seinen sozialen Absturz plant. Michael lässt sich auf eine Plattform nieder, bereit für Inspirationen und Wunder, die dieser Mann schon längst verlernt hat, zu sehen. Es ist spürbar, wie vertraut Michael diese Stelle ist, dass er hier oft meditiert und im Einklang mit etwas ist, was so vielen Menschen verborgen und verloren gegangen ist. Und in dem Moment, wo er auf der Ausbuchtung des Astes sitzt, versinkt er in sich selbst, so evident, als ob man die Verbindung sehen könnte. Dieser Moment zeigt den wahren Michael, den Michael, der von den Menschen so missverstanden wird: Jemanden, der sich mit seiner innersten Quelle total verbinden kann. Was für ein krasser Gegensatz zu diesem Mann, der von unten herauf schaut, bereit, ihn von dieser Höhe herunter zu stoßen. Es ist ein Bild, das Michaels ganzes Leben repräsentiert.
Michael fragt ihn erstaunt: „Du kletterst nicht auf Bäume?“ und Bashirs Gesicht sagt: „Bin ich ein Affe?“ aber auf Michaels Aufforderung hin, versucht er, unbeholfen, ungeschickt, nach oben zu klettern. Er ist, so sagt er, „afraid“ und das glaube ich ihm sofort.
Michael betont noch einmal, wie sehr er es liebt, auf Bäume zu klettern, Ballonfahrten und Supersoaker-Schlachten zu machen.
Bashir: Du gehst nicht lieber ins Theater? Oder Liebe machen?
Unterton: Hat der Typ nicht den
Weitere Kostenlose Bücher